»Die Haupt-Idee der Erfindung ist von dem Schlittschuhfahren genommen und besteht in dem einfachen Gedanken, einen Sitz auf Rädern mit den Füßen auf dem Boden fortzustoßen ...« So berichtete im Sommer 1817 das Badenwochenblatt über eine Maschine, die ihr Konstrukteur bereits damals selbstbewusst als »praktisches Förderungsmittel zum Wohle der Menschheit« anpries
.
Die Rede ist von der »Laufmaschine« des Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn (1785–1851). Der hat damit die individuelle Mobilität durch menschliche Muskelkraft revolutioniert – und den Vorläufer des heutigen Fahrrades entwickelt. Eine geniale Erfindung, deren Geschichte und Zukunft Ossietzky-Autor Johann-Günther König sachkundig und gewohnt kurzweilig erzählt. Nach der »Geschichte des Automobils« (Reclam Taschenbuch, 2010) und »Zu Fuß. Eine Geschichte des Gehens« (Reclam Taschenbuch, 2013) hat König aktuell das »Fahrradfahren« (»Von der Draisine bis zum E-Bike«) unter vielfältigen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten in den Blick genommen – passend zum 200. Jubiläum der Drais’schen Erfindung.
Am 12. Juni 1817 war Drais mit seiner einspurigen zweirädrigen Fahrmaschine, von ihm auch »Velociped« genannt, zum ersten Testlauf auf zwei miteinander verbundenen, lenkbaren Rädern gestartet. Doppelt so schnell wie die Pferdepost durcheilte er von Mannheim nach Schwetzingen und zurück die gut 14 Kilometer lange Strecke in nur einer knappen Stunde. Ein Tempo, das sich seit 1861, als in Frankreich Maschinen mit Pedalen an der vorderen Radnabe in den Verkehr kamen und die Engländer daraus schließlich das serientaugliche Niederrad entwickelten, noch kräftig hat steigern lassen.
Spätestens seit diesem Zeitpunkt nahm die Erfolgsgeschichte des Fahrrads global kräftig Fahrt auf, schien aber ab 1950 durch den Siegeszug des Autos ins Stocken zu geraten. Doch im Angesicht der ökologischen Krise erfreut sich das »Pedalieren«, das ausschließlich körpereigenes Fett verbrennt, als modernes postfossiles Fortbewegungsmittel neuer Wertschätzung – nicht nur während der Freizeit, auch und gerade verkehrspolitisch ist es von wachsender Bedeutung. Zustimmend zitiert König den Historiker Eric Hobsbawm (1917–2012), der in seiner von Udo Rennert übersetzten Autobiographie »Gefährliche Zeiten« urteilt:
»Wenn physische Mobilität eine wesentliche Bedingung der Freiheit ist, dann war das Fahrrad vermutlich der großartigste Apparat, der seit Gutenberg erfunden wurde, um etwas zu erreichen, das Marx als die volle Verwirklichung der Möglichkeiten des Menschseins bezeichnet hat, und es war der einzige ohne offensichtliche Nachteile.«
Johann-Günther König: »Fahrradfahren. Von der Draisine bis zum E-Bike.«, Reclam-Verlag, 235 Seiten, 19 €. Am 15. Mai, 19.30 Uhr, stellt der Autor sein Buch in Bremen vor: Buchhandlung Geist, Balgebrückstraße 16.