»New Work« wird als Schlagwort immer häufiger genutzt, wenn die Einführung neuer Technik propagiert wird. »Digitalisierung erfordert Flexibilität« verkündet der Bundesverband der Arbeitgeberverbände (BDA) und fordert deshalb in einem Katalog »New Work« (siehe www.arbeitgeber.de). Das Berufe-Netzwerk Xing will sich in New Work SE umbenennen, um so moderner zu wirken.
Firmenlobbyisten geht es dabei um die Umgestaltung von Arbeitsstrukturen in den Betrieben. Gerne wird mit Sachzwang-Argumenten gearbeitet: »Automatisierung, Big Data und künstliche Intelligenz haben eine rasante Entwicklungsgeschwindigkeit«, gibt der BDA die Linie vor. Der Wandel der Arbeitswelt sei »dank digitaler Technologien – wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Virtual und Augmented Reality, moderne mobile Endgeräte, ein ständig verfügbares Internet und Cloud Computing – in vollem Gange«, ergänzt der Unternehmensberater Ernst Tiemeyer (Computer und Arbeit 11/2018). Die Digitalisierung mache »einen Wandel der Arbeitsorganisation und der Arbeitsweisen unausweichlich«. André Häusling erkennt »bestimmte Treiber«, die eine »Notwendigkeit« für Veränderungen »befeuern«. Dazu gehöre vor allem »die Digitalisierung, einhergehend mit einer stetig steigenden Dynamik auf den Märkten und auch einer wachsenden Komplexität«, so der Gründer der Unternehmensberatung HR Pioneers (http://compass.ptvgroup.com/2017/12/agile-organisationen). »Der Wandel wartet nicht darauf, bis wir uns angepasst haben. Im Gegenteil: Entwicklungen zu antizipieren und die Weichen richtig zu stellen, ist eine Aufgabe für Unternehmen und Politik gleichermaßen«, wird der BDA nicht müde zu fordern.
In vielen Publikationen werden diese Veränderungen nur als Neuerungen von Bürokonzepten dargestellt. Unternehmensberater Ernst Tiemeyer spricht vom »Digital Workplace«, der Voraussetzung für »New Work« sein soll. »Typisch für klassische Organisationen ist ein hoher Anteil an Einzelbüros, die den aktiven Austausch unter den Mitarbeitern erschweren und auf diese Weise auch die Kommunikation innerhalb der Organisation behindern«, kritisiert André Häusling. Er fordert »Arbeitsräume für teamorientiertes Arbeiten«. »In vielen Unternehmen zeigt sich die neue Arbeitswelt am individuellen Arbeitsplatz«, schildert Tiemeyer: »Die in den Gruppenräumen vorhandenen Bildschirmsysteme sind vielmehr flexibel von mehr als nur von einem Nutzer verwendbar.« Es gebe zunehmend »keine Einzelbüros, keine Organisation in starren Abteilungen« durch die neue Technik und »papierlose Kommunikation«.
»Eine feste Arbeitsplatzzuordnung ist im digitalen Zeitalter überholt. Anwesenheitspflicht gibt es bei uns schon seit drei Jahren nicht mehr«, gibt sich Markus Köhler, Senior Director bei Microsoft, in der FAZ als Trendsetter. Für Beschäftigte zeigt sich dies in der Praxis etwa durch Desksharing-Konzepte der Unternehmen. Bei Neubaukonzepten kann dies bedeuten, dass statt 400 Arbeitsplätzen, die jeden Beschäftigten berücksichtigen, nur 300 »flexible« Plätze eingerichtet werden. Zum Arbeitsbeginn suchen sich die Arbeitenden einen Platz – sollte keiner mehr vorhanden sein, soll per Laptop in Teamräumen oder im »Workspace« gearbeitet werden, auch die Arbeit zuhause ist dann möglich. Beschäftigte, die fehlende Planbarkeit kritisieren oder einen persönlich mit Familienfoto gestaltbaren Arbeitsplatz fordern, werden oftmals als »altmodisch« kritisiert.
Neue Technik eröffnet »für das Arbeiten grundsätzlich neue Formen der Zusammenarbeit«, so der Firmenberater Tiemeyer. Dies verstärke die »Verwischung von Arbeitszeit mit Freizeit«. Er spricht von Kommunikationstools und »New Work«-Projektierungen. »Statt ausschließlich am Desktop-Computer zu arbeiten, benötigen und verwenden die Beschäftigten zunehmend auch Smartphones und Tablets, um etwa E-Mails zu schreiben oder Dokumente zu teilen.« Dadurch flexibilisiere sich auch der Arbeitsort: »Büro, Wohnung, S-Bahn – kaum ein Ort, der nicht zum Arbeiten genutzt werden könnte.« (Ernst Tiemeyer: »Digital Workplace« in: Computer und Arbeit 1/2019)
Was als räumliche Neugestaltungen propagiert wird, zeigt die tiefgreifenden Veränderungen durch »New Work«-Konzepte. Gerne werden die vermeintlichen Wünsche von Beschäftigten vorgeschoben. »Das beste Beispiel ist die Mutter, eine Führungskraft, die ihr Kind zu Hause betreuen will«, argumentiert Tobias Schommer, Fachanwalt für Arbeitsrecht. »Sie ist tagsüber für ihr Team erreichbar, arbeitet aber die meisten E-Mails morgens oder am Abend ab. Laut Arbeitsrecht geht das nicht, weil die Ruhepause zwischen der letzten und ersten Mail zu kurz ist.« Schommer wünscht sich in diesem Punkt eine Änderung der Gesetze: »Wir wollen mehr selbstbestimmte Arbeit, also müssen wir diese auch ermöglichen.« (www.brandeins.de)
»New Work ermöglicht es uns, auf den Menschen und seine Bedürfnisse achtzugeben und ein passendes Gewand für ihn zu schneidern – denn die Bedürfnisse sind heute so individuell wie die Menschen selbst«, assistiert die Wirtschaftsjournalistin und »New Work«-Expertin Inga Höltmann (https://spielraum.xing.com/2018/11/jobtrend-freelancing-dein-neuer-chef-das-bist-du-selbst/).
Vertrauensarbeitszeit, Teil- und Gleitzeit sieht sie als Ausdruck dieser Veränderung. Die Zahl der Freiberufler hierzulande habe sich seit 1999 mehr als verdoppelt, so der Bundesverband der Freien Berufe. Für diese besteht kein Anspruch auf Rentenversicherung oder bezahlten Urlaub.
Wünsche der Beschäftigten, die Arbeitszeit zu reduzieren, werden bei dieser Argumentation ausgeblendet. Dabei macht die Arbeitszeitbefragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) deutlich: Fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent) möchte die Arbeitszeit verkürzen, im Durchschnitt lag dabei die gewünschte wöchentliche Arbeitszeit vier Stunden unter der tatsächlich geleisteten (www.ergo-online.de).