»Berliner Jungen, die sind richtig, Berliner Jungs sind auf dem Kien ...« sang man in den ersten Nachkriegsjahren, als es in der ehemaligen Reichshauptstadt noch aus den Trümmern qualmte und die Luft noch faulig roch. Mehr als ein halbes Jahrhundert später gibt es in Berlin einige besonders helle Jungs, die wissen, was sie unserer bedrohten Zeit und dem deutschen Ansehen in der Welt schuldig sind.
»Berliner Jungs wollen Deutschlands ersten Flugzeugträger bauen«, titelt der Berliner Kurier und berichtet: »Erst war es nur Quatsch, entstanden am WG-Küchentisch, natürlich spielte auch Bier eine Rolle...« Aber dann gründeten sie den Verein »Offensive: Frieden!«, der sich das Ziel setzte, deutsche Ingenieurskunst zu demonstrieren und durch einen Flugzeugträger »die ganze Welt neugierig auf unser Können« zu machen. »Offensive: Frieden« klingt irgendwie nach »Enduring freedom«.
Auf einem Pressefoto sieht man die drei »Jungs« – einen 29jährigen Doktoranden der Technischen, einen 27jährigen angehenden Diplom-Politologen der Freien und einen 24jährigen Psychologie-Studenten der Humboldt-Universität – vom Osthafen aus sehnsuchtsvoll über die Spree blicken, als könnten sie sich den Fluß gut als Start- und Liegeplatz für den Koloß vorstellen. Warum auch nicht, wollen die jungen Forscher das Gerät doch von »zwei klimafreundlichen Atomreaktoren« betreiben lassen.
Dem kreativen Team ist bekannt, daß gegenwärtig neun Staaten Flugzeugträger unterhalten, um sie über die Weltmeere schippern zu lassen. Aber »nicht alle davon«, wissen die blauen Jungs, »sind sich ihrer historischen Verantwortung so bewußt wie wir Deutsche(n)«. (Das eingeklammerte n habe ich mir erlaubt zu ergänzen, im Originalbeitrag ist es ausgespart – schließlich geht es um den Weltfrieden und das deutsche Renommee und um Wichtigeres als den korrekten Wer-oder-was-Kasus.)
An dieser Stelle habe ich mich noch mal vergewissert, ob ich nicht vielleicht die Nummer vom 1. April in der Hand halte. Aber nein. Und getrunken habe ich, im Gegensatz zu den forschen Forschern, auch noch nichts.
»Denn was ist«, fragen die hoffnungsvollen Talente, »wenn die Welt weiter in Krieg und blutigem Chaos versinkt und Deutschland wie so oft tatenlos zusieht?«
Das ist ja typisch für Deutschland. Immer raushalten, so wie 70/71 und 14/18 und 39/45.
»Allein die Tatsache, daß dann alle Welt sehen könnte, wie sich unser Land offensiv für den Frieden einsetzt und den Menschen unsere Ideale näher bringt ...«, würde den Aufwand allemal rechtfertigen. Und »das brächte Jobs, Jobs, Jobs.« Wären die drei bloß beim Bier geblieben, hätten sie sich doch ins Koma gesoffen! Und was muß man von einer Zeitung halten, die für solch plumpe nationalistische Propaganda fast zwei Seiten hergibt?
Aber es kommt noch schlimmer: »Auch Deutschland hatte mal einen Flugzeugträger. Der dicke Nazi Hermann Göring taufte ihn auf den Namen ›Graf Zeppelin‹. Aber der Träger war technisch nicht ausgereift und kam nie richtig zum Einsatz.« Schade, sonst hätten unsere Altvorderen den Krieg vielleicht doch noch gewonnen.
»Im Sommer 1947 versenkten ihn die Russen.« Gut, daß wir die Russen haben, wir müßten sie sonst erfinden. Wenn die Russen die »Wilhelm Gustloff« nicht in Grund und Boden torpediert hätten, könnte die heute noch als Kreuzfahrtschiff durchs Mittelmeer schlingern. Oder zum Flugzeugträger umgerüstet werden. Aber was würde dann aus unseren Erfinder-Kids?
Wie dem auch sei – einen Namen für das Monster haben sich die drei modernen Musketiere längst ausgedacht: Joschka Fischer. Warum? Er ist der »erste Visionär offensiver Friedenspolitik«. Ach so.
»Kriegsschiffe spazieren fahren lassen – das ist eine der besten Kriegsreklamen, die es gibt.« Auch das ein Zitat. Von Kurt Tucholsky.