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Wie von der CIA bestellt  (Arno Klönne)

Der US-amerikanische geheime Auslandsdienst CIA macht sich Sorgen. In der Bevölkerung einiger an der militärischen »Mission« am Hindukusch beteiligter Staaten wächst die Abneigung gegen dieses Unternehmen weiter an und bringt die einsatzwilligen Regierungen in Verlegenheit. Also wurde ein Public-Relations-Plan entworfen, wie der Kriegsmüdigkeit entgegenzuwirken sei, diskret natürlich; aber die Website wikileads gab dem Vorhaben unerwünschte Öffentlichkeit. Frankreich und Deutschland stehen demnach im Mittelpunkt der CIA-Bemühungen um »Volksaufklärung«. Die Franzosen sollen besonders mit dem Ruf nach Freiheit für die afghanischen Frauen, die deutschen vornehmlich mit der Warnung vor afghanischen Terroristen beeindruckt werden. Mit der Regierungserklärung und der Parlamentsdebatte über den Afghanistan-Militäreinsatz, wie sie Ende April in Berlin über die Bühne gingen, kann die CIA hochzufrieden sein, auch der Auftritt der Linkspartei wird dieses angenehme Gefühl kaum irritieren.

Angela Merkel, sanft im Ton, aber hart in der Sache, erklärte die Teilnahme der Bundeswehr am (umgangssprachlichen) Krieg für »alternativlos«: Die Bundesrepublik befinde sich »im Visier des internationalen Terrorismus«, deshalb müsse die deutsche Sicherheit, wie der SPD-Politiker Peter Struck es schon überzeugend formuliert habe, »am Hindukusch verteidigt werden«. Sie lobte den Mut der Soldaten und forderte vom Parlament »den Mut, zu dem zu stehen, was wir beschlossen haben«. Die zu Tode gekommenen Bundeswehrsoldaten hätten ihre Landsleute daheim »vor Terroristen beschützt«. Einen Hauptfeldwebel, der in Afghanistan eingesetzt war und darüber erzählt hat, nahm die Bundeskanzlerin argumentativ zur Hilfe: »Er oder ich« habe dieser Mann begriffen, als er einem Taliban gegenüberstand und zur Schußwaffe griff, und diese Devise lasse sich politisch verallgemeinern. Volkstümlicher, muß man Angela Merkel attestieren, geht’s nicht mehr.

Der von ihr zitierte Hauptfeldwebel wurde übrigens mit einem Ehrenkreuz für Tapferkeit ausgezeichnet. Es werden, wenn alles im Sinne der CIA läuft, noch viele solcher Medaillen fällig sein. Und zahlreiche Kriegerdenkmale.

Sigmar Gabriel für die SPD entkräftete alle Vermutungen, er werde sich zum Afghanistan-Einsatz oppositionell äußern. Einige Tage vor der Bundestagsdebatte noch war ein Raunen durch die Medien gegangen, der SPD-Vorsitzende wolle statt Steinmeier selbst das Wort ergreifen, um womöglich das Afghanistan-Mandat in Frage zu stellen – aber nichts da, Gabriel übte nur Kritik am semantischen Wirrwarr der Bundesregierung und bekannte sich in der Sache ohne Wenn und Aber zum Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch. Er verband dies mit der Beteuerung, Deutschland sei als Staatswesen »durch und durch zivil«. So wird es dann plausibel: Wenn diese ganz und gar zivile Bundesrepublik Krieg führt, ist das gar keiner.

»Fast schon staatsmännisch« habe sich Gabriel geäußert, lobte ihn Berthold Kohler in der Frankfurter Allgemeinen. Diese Zeitung machte allerdings auch auf eine Schwachstelle in der »Volksaufklärung« über das militärische Engagement der Bundesrepublik out of area aufmerksam: Die Bundeswehr stehe »erst am Anfang der Geschichte ihrer Auslandseinsätze«, aber irgendwie passe diese Art von Weltpolitik nicht so recht zu dem, was in Sachen Militär noch in unserer Verfassung steht. Deshalb sei »zu prüfen, ob das Grundgesetz zu ergänzen ist, um eine von den Landes- und Bündnisgrenzen so weit nach vorne gelegte ›Verteidigung‹ in allen rechtlichen Bezügen abzusichern«. Da wird, mit FAZ-Understatement formuliert, die normative Abkehr von der Verpflichtung der Bundesrepublik auf Friedenspolitik empfohlen – im Faktischen hat sich diese längst vollzogen, seit der Teilnahme am Angriff auf Jugoslawien. Die »Enttabuisierung des Militärischen«, für die sich Gerhard Schröder einsetzte, soll nun auch Verfassungsrang erhalten.