Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem mit 2,15 Millionen Quadratkilometern sechsmal so großen Staat bestehen enge Beziehungen. Laut einer offiziellen Information des Auswärtigen Amtes in Berlin sind sie »freundschaftlich und spannungsfrei«. Besonders rege entwickelten sie sich, seitdem in Berlin die Schwarzen und die Gelben die Regierung bilden. Wie intensiv das geschah, zeigt schon die Tatsache, daß Bundeskanzlerin Angela Merkel relativ rasch nach der Regierungsbildung, im Mai 2010, und Bundesaußenminister Guido Westerwelle bereits früh nach Amtsantritt, im Januar 2010, das befreundete Land besuchten. Dieses ist laut dem Außenamtschef »ein ganz wichtiger Partner Deutschlands«, so daß die Beziehungen zwischen beiden Ländern weiter ausgebaut, gefestigt und vertieft werden sollten. Auch im ökonomischen Bereich stecke trotz des bereits erreichten hohen Niveaus – 2010 betrug das Handelsvolumen rund 6,5 Milliarden Euro – »noch großes Potential, das wir gemeinsam nutzen wollen«. Natürlich wurden, wie es bei Außenministerbesuchen Brauch ist, auch internationale Fragen erörtert, wobei Westerwelle das Partnerland als »regionale Führungsmacht, der eine Schlüsselrolle für die gesamte Region« zukomme, würdigte. Ein wenig später pflichtete ihm Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei und nannte die »Führungsmacht« kurz und knapp einen »Stabilitätsanker«.
Angesichts einer solchen Ein- und Wertschätzung ist es nur allzu selbstverständlich, daß die Bundesrepublik auch im Eintreten für Frieden und Stabilität mit dem befreundeten Land, das sich Al-Mamlaka al-Arabia al-Saudia nennt, hierzulande eher unter dem Namen Saudi-Arabien bekannt ist und noch immer über rund 17 Prozent der Welterdölreserven verfügt, eng kooperiert. Verwundern kann es deshalb auch nicht, daß Deutschland und das Königreich Seite an Seite gegen das demokratiefeindliche Assad-Regime in Syrien, dessen Menschenrechtsverletzungen außer Frage stehen, kämpfen. Während die deutsche Monopolpresse monatelang und nahezu tagtäglich zum militärischen Eingreifen in Syrien trommelte, Merkel die internationale Gemeinschaft aufrief, »gegen die Gewalt in Syrien zu handeln«, und Westerwelle scharfe Sanktionen und den Rücktritt Assads forderte, unterstützt Saudi-Arabien die oppositionellen Kräfte im syrischen Bürgerkrieg mit Waffen, Söldnern und vielen Millionen Dollar.
Sollte all diese Mühe vergeblich gewesen sein? Sollte etwa der Friedensplan von Kofi Annan die Lage in und um Syrien tatsächlich schrittweise entspannen? Zweifel sind angesagt. In den Medien der Anti-Syrien-Allianz, darunter nicht zuletzt der Bundesrepublik, wird die brüchige Waffenruhe mit Propagandalärm in Frage gestellt, allein den Sicherheitskräften Assads wird ihr Bruch angelastet, und die bewaffneten Kräfte der Opposition werden weiter aufgerüstet. So wächst die Hoffnung der saudischen Herrscher, doch noch ihre weitreichenden Ziele zu erreichen: ihr autokratisches sunnitisches Regime nach innen und außen abzusichern, im arabischen Raum den letzten säkulären Staat zu beseitigen und damit auch den schiitischen Erzrivalen im Iran weiter zu isolieren, um so ihre regionale Vormachtstellung auszubauen. Vorgeblich geht es ihnen freilich lediglich um die Unterstützung der Glaubensbrüder in Syrien und den Schutz ihrer Menschenrechte.
Kein anderes Land dieser Region ist für diesen edlen Kampf so geeignet wie der Staat, dessen Monarch Abdullah Bin Abd al-Asis Al Saud den stolzen Titel »Hüter der beiden Heiligen Stätten und König von Saudi-Arabien« trägt. Denn bekanntlich ist das Königreich ein Hort der Demokratie und der strikten Achtung der Menschenrechte. Das ist auch im Auswärtigen Amt in Berlin nicht unbekannt und so teilt es in seiner »Länderinformation« unter anderem mit: »Religion: Islam (Staatsreligion ...); ... Regierungsform: absolute Monarchie auf religiöser Grundlage; Parlament: kein Parlament, aber Beratende Versammlung (»Majlis al-Shura«), inzwischen 150 Mitglieder, vom König ernannt; Regierungspartei: keine (es existieren keine Parteien); Opposition: im Inland keine ...; Gewerkschaften: keine; Verwaltungsstruktur: 13 Provinzen, gegliedert in Bezirke und Unterbezirke. An der Spitze der regionalen Verwaltung stehen Emire im Ministerrang, die vom König ernannt werden und ausnahmslos der königlichen Familie angehören.«
Weitere Details, die das hohe Maß der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte im saudischen Königreich illustrieren, blieben – offenbar aus Platzgründen – in der Übersicht ungenannt. Einige von ihnen sind jedoch der Erwähnung wert, so die Tatsache, daß Saudi-Arabien unbestritten das Zentrum des islamischen Fundamentalismus ist und sich als Gottesstaat betrachtet, in dem die Scharia ein Grundelement der Verfassung ist. Kritik am Königshaus, Streiks, Demonstrationen und Versammlungen sind verboten. Zuwiderhandlungen werden streng geahndet, wobei öffentliches Auspeitschen noch zu den milden Strafen zählt. Besonders eindrucksvoll werden die Rechte der Frauen geschützt. Der Schutz reicht von der Verweigerung persönlicher Kontakte zu nichtverwandten Männern bis zum Verbot des Lenkens von Kraftfahrzeugen. Frauen besitzen kein aktives Wahlrecht, dafür ist Vielweiberei begrenzt – ein Mann darf lediglich bis zu vier Frauen heiraten. Homosexuelle Handlungen werden ebenso wie der Besitz von Alkohol hart bestraft, Peitschenhiebe sind auch hier ein beliebtes Umerziehungsmittel. Das saudische Königreich verfügt über noch weit mehr demokratische und menschenfreundliche Errungenschaften. Aber bereits die angeführten zeigen anschaulich, daß es sich tatsächlich um einen »Stabilitätsanker« in der gesamten Region handelt.
Mit einem solchem Staat für Demokratie und Menschenrechte in anderen Ländern einzutreten und »freundschaftliche und spannungsfreie« Beziehungen zu unterhalten, ist Ehre und Verpflichtung zugleich. Deshalb hat sich die deutsche Kanzlerin 2007 bei ihrem ersten Besuch in Riad auch so sehr über das Geschenk gefreut, das ihr König Abdullah machte: zwölf goldene Kamele, die auf einem Tablett um einen Brunnen mit einer Wasserfläche aus Bergkristallen angeordnet sind. Mittlerweile revanchierte sich die Berliner Regierung mit dem Verkauf von 200 Kampfpanzern Leopard 2, die mit einem Gefechtsgewicht von 60,1 Tonnen, einer Höchstgeschwindigkeit von 72 Kilometern in der Stunde und einer enormen Feuerkraft vielseitig einsetzbar sind. Nicht zufällig wird das gepanzerte Ungetüm in der Fabrikwerbung auch als ein ideales Instrument gegen Demonstranten gepriesen. In der Tat, sie eignen sich prächtig, das Königreich auch weiter als stabile Bastion der Demokratie und der Menschenrechte zu erhalten und notfalls, wie in Bahrain mit anderen Waffen erfolgreich geprobt, friedliche Demokratie- und Freiheitsbewegungen niederzuwalzen. Was soll’s? Kleine Geschenke und große Geschäfte erhalten die Freundschaft.