Bund und Länder haben sich am 9. April auf die Grundzüge eines Endlagersuchgesetzes verständigt. »Historisch« sei dieser Tag, schwärmte Sigmar Gabriel (SPD). »Wir holen die Endlagersuche aus den Hinterzimmern heraus«, versprach ausgerechnet der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, der sich mit Gabriel und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zu den berühmten Berliner »Küchengesprächen« traf und damit nicht nur Umweltverbände und Anti-AKW-Initiativen, sondern auch die Parteibasis verärgerte. Als einen Beitrag zur Befriedung des gesellschaftlichen Großkonflikts, wie mit den hochgiftigen und hochradioaktiven Hinterlassenschaften des Atomzeitalters umgegangen wird, für den Gorleben symbolhaft steht, werteten die Akteure in ihrem Hochmut das Verhandlungsergebnis.
Einen Tag nach dem »guten Geist« der Gespräche (Altmaier) kam bereits Katerstimmung auf: Schon bei der Frage, wohin mit den Castor-Behältern brachen die alten Konfliktlinien und der ausgeprägte Länderegoismus wieder auf.
Als Zeichen dafür, daß der Fokus der Endlagersuche nicht weiter auf Gorleben gerichtet sei, sollten die 26 Castor-Behälter aus Cap de La Hague beziehungsweise Sellafield, die ab 2015 angeliefert werden, in die kraftwerksnahen Zwischenlager in den Bundesländern verbracht werden. So wurden Philippsburg in Baden-Württemberg und Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) genannt, aber auch Biblis (Hessen).
Robert Habeck, der schleswig-holsteinische Energiewendeminister, nahm kein Blatt vor den Mund, der Länderegoismus habe ihn schockiert, keinesfalls würde er bereit sein, allein die Castor-Last zu übernehmen. Auch die Stadt Philippsburg will keinen fremden Atommüll im Zwischenlager am gleichnamigen Kraftwerk akzeptieren. »Wir würden zivilen Ungehorsam leisten und dagegen auf die Straße gehen«, sagte Bürgermeister Stefan Martus (CDU).
Nach 35 Jahren sollte ein Schlußstrich unter Kungelei und Rauferei in Gorleben gezogen werden, Anfang Juli soll das Gesetz beschlossen werden. Allein die Eile macht stutzig. Warum gibt es nur jetzt ein geöffnetes »Zeitfenster« für die Einigung auf ein Suchverfahren? Warum sollte es, wenn wirklich eine Umdenken in der Bewertung der Atomkraft und nun auch bei der Endlagersuche gereift ist, nach den Wahlen schon wieder geschlossen sein? Die »Befriedung« des Großkonflikts zielt auch auf Koalitionsmöglichkeiten, vor allem die Option Schwarz-Grün wird dadurch möglich.
So kommt es zu kuriosen Beschlüssen: Ein Gesetz wird verabschiedet, obwohl eine Enquete-Kommission bis zum Jahr 2015 tagen und dann Empfehlungen aussprechen soll für Such- und Sicherheitskriterien, die »gegebenenfalls« in das Gesetz eingearbeitet werden. Warum behalten sich die Parteien vor, nach ihrem Proporz die Kommissionsmitglieder auszuwählen? Das alles macht stutzig und nährt den Verdacht, daß es mit dem Umdenken und dem »Neustart« bei der Endlagersuche nicht weit her ist.
Eingearbeitet ins Gesetz wird eine Gorleben-Klausel. Der bisher einzige Standort, der erkundet und ohne atomrechtliches Genehmigungsverfahren auf der Basis des Bergrechts ausgebaut wurde, wird mitgeschleppt. Die angeblich »weiße Landkarte« hat damit schon einen schwarzen Fleck. Und dieser kontaminiert das ganze verfahrene Verfahren, denn nur ohne Gorleben, wo die Suchkriterien immer wieder an die desaströsen geologischen Befunde angepaßt wurden, wäre ein Neustart glaubhaft. Wasserkontakt, Gaseinschlüsse – alles wurde in der Vergangenheit geleugnet, Gorleben wurde als »eignungshöffig« erklärt. Mit einer vergleichenden Endlagersuche, so die Befürchtung von Umweltverbänden und Kritikern des Gesetzentwurfs, würde nur der größte Planungsfehler der Vergangenheit geheilt und Gorleben würde gerichtsfest gemacht.
Auch in der Enquete-Kommission wird Gorleben unausgesprochen eine große Rolle spielen. Denn jeder Vorschlag, nicht Salz, sondern Ton oder Kristallin zu favorisieren, wäre auch eine Abkehr von Gorleben. Und jeder Vorschlag, bei Salzlagerstätten darauf zu pochen, daß es eine weitere geologische Sicherheitsbarriere geben müsse, nämlich eine darüber liegende wasserabweisende Tonschicht, wäre auch eine Abkehr von Gorleben.
Absehbar ist, daß in zwei Jahren, wenn die Kommission ihre Beschlüsse vorlegt, es wieder auf die Frage Gorleben oder nicht Gorleben hinaus laufen wird. Der Gesetzentwurf bringt nur einen Aufschub und keine Lösung und erst recht nicht die »Befriedung« des Konflikts.
Wolfgang Ehmke ist langjähriger Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V., Kontakt: presse@bi-luechow-dannenberg.de