Heike Göbel, im Dilemma. – »Deutsche sind die Ärmsten im Euroraum« – so der anklagende Titel eines Berichtes über die Vermögensumfrage der Europäischen Zentralbank in der Frankfurter Allgemeinen, deren wirtschaftspolitisches Ressort Sie leiten. Nicht alle Deutschen gehören zu den wenig Begüterten, im Blick der Erhebung war die Masse der Haushalte hierzulande, also stellt sich die Frage, wie deren Vermögensmangel abzuhelfen ist. Den Anteil des Einkommens aus abhängiger Arbeit am volkswirtschaftlichen Ertrag steigern, das Lohnniveau anheben? Davon halten Sie ebenso wenig wie die anderen Wirtschaftskommentatoren Ihres Blattes, »mehr Umverteilung und Mindestlöhne nutzen nichts«, fertigen Sie solche Forderungen ab. Was dann? Ihre Patentlösung: »Dem Niedriglohnsektor entkommt man nur mit besserer Bildung.« Sehen wir einmal davon ab, daß dies Kosten macht, entweder öffentliche (aus Steuergeldern zu begleichen, und Steuern dürfen wir, wenn wir Ihrer Zeitung folgen, keinesfalls erhöhen) – oder private (und da sind arme Haushalte dumm dran). Nehmen wir an, Millionen unvermögende Deutsche folgen Ihrer Wegweisung und bilden und bilden sich immer besser – wohin mit ihnen? Es gibt ja schon reichlich junge Akademiker mit schlecht bezahlten Minijobs, und auch die FAZ bietet nicht so viele Redaktionsplätze, um sie aus dieser Misere herauszuholen. Da müssen Sie sich etwas Neues einfallen lassen.
Thomas de Maizière, rücksichtsvoll. – An Ihrem Plan, für die Bundeswehr Kampfdrohnen anzuschaffen, wollen Sie festhalten, ihn aber erst nach der Bundestagswahl parlamentarisch absegnen lassen. Das erspart so manchem Wahlkämpfer ärgerliche Debatten, denn beim Wahlvolk ist diese Waffe nicht beliebt. Vorteilhaft seien die unbemannten Tötungsmaschinen, so haben Sie es der Rheinischen Post jetzt erklärt, weil sie »auf Abstand« eingesetzt werden und eigene Menschenverluste ausschließen; das Interesse daran habe ja schon seinerzeit zur Einführung von Pfeil und Bogen geführt. Und ethisch sei es kein Unterschied, ob jemand durch ein Kampfflugzeug oder durch eine Drohne zu Tode gebracht werde. Diese Argumentation wird, das leuchtet ein, für Volksvertreter leichter nachvollziehbar sein, wenn sie die Wahlstrapazen hinter sich haben.
Carl von Ossietzky. – An Ihrem 75. Todestag, dem 4. Mai, werden manche BürgerInnen Ihr Grab besuchen wollen. Es liegt auf dem Friedhof von Französisch-Buchholz, einem Ortsteil von Berlin-Pankow. Vom Pankower Rathaus aus kann man durch die Ossietzkystraße gehen, an der rechts im Grünen eine Ossietzky-Skulptur steht: sehr sympathisch, der kleine Zivilist, ohne falsches Pathos. Am Schloß Niederschönhausen vorbei gelangt man zum Ossietzky-Platz. Von der Dietzgenstraße rechts ab führt dann der Weg zum Friedhof. Das Ehrengrab der Stadt Berlin, schlicht mit Ziegelsteinen gestaltet, liegt an der Friedhofsmauer. 1938, als Sie hier beigesetzt wurden, durfte Ihr Name nicht genannt werden – so wie es Ihrer Witwe verboten war, Ihren Namen zu tragen. Wir hoffen, daß die beiden Berliner Ossietzky-Schulen (in Pankow und in Kreuzberg) künftig daran mitwirken, das Grab zu pflegen. Wer nach dem Friedhofsbesuch auf der Dietzgenstraße ein Stück weiter nach Norden und dann links in die Mittelstraße geht, findet dort links am Zaun eine Tafel, die an das vor einigen Jahren abgerissene Nordend-Krankenhaus erinnert. Nach der Verleihung des Friedensnobelpreises wurden Sie, schwer krank aus dem KZ Esterwegen entlassen, in diesem kleinen Krankenhaus des jüdischen Arztes Dosquet bis zu Ihrem Tode gepflegt, Tag und Nacht streng bewacht.
Peer Steinbrück, bejubelt. – Stehend sogar haben Ihnen beim Parteitag die Delegierten Beifall gegeben. Weil Sie versichert haben, es sei Ihnen ernst mit der Kanzlerkandidatur. Wird da Angela Merkel so erschreckt sein, daß sie demnächst freiwillig ihren Job abgibt? Allerdings hielten Sie Ihre Rede in Augsburg an einem Sonntag. Dem folgen Werktage, und auch die Demoskopen bleiben an der Arbeit.