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Titel916

Der PEN und der Erzbischof  (Otto Köhler)

Seehofers Bayern, in das der Deutsche PEN in dieser Woche seine Mitglieder zur Jahresversammlung geladen hat, ist zum Land einer neuen Christenverfolgung geworden. Im Oktober hatte die Zornedinger CSU-Politikerin Sylvia Boher im Parteiblatt Zorneding Report gegen eine »Invasion« afrikanischer »Militärdienstflüchtlinge« ihre Stimme erhoben. Der katholische Ortspfarrer Ndjimbi-Tshiende – ein gebürtiger Kongolese – widersprach, worauf Bohers Parteifreund Johann Haindl ihn als »Neger« titulierte. Ndjimbi-Tshiende erhielt Schmähbriefe und massive Drohungen, bis er vom Amt des Ortspfarrers zurücktrat und Zorneding verließ.


Christen müssen Flüchtlinge aufnehmen und zugleich die Ursachen für Flucht und Vertreibung bekämpfen. Das sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Wer gegen Flüchtlinge hetzt, dürfe sich nicht Christ nennen. Und er fügte hinzu: Krieg, Hunger, Verfolgung und die Verletzung von Menschenrechten müssten ebenso bekämpft werden wie Wüstenbildung, Umweltkatastrophen und der Klimawandel, den vor allem die Menschen in Europa und Nordamerika mit ihrem verschwenderischen Lebensstil verursachen; das führe zu Flucht und Vertreibung. Aufnahme und Hilfe von Flüchtlingen und Vertriebenen gehörten aber zur Normalität eines Christenlebens.


Konsequenz für den Bamberger Erzbischof: Er wird beschimpft und erhält Morddrohungen. Deutsche Intellektuelle beteiligen sich an der vom Bamberger Erzbischof angeklagten Hetze gegen Flüchtlinge. Vier haben sich dabei besonders hervorgetan: Botho Strauß, Peter Sloterdijk, Rüdiger Safranski und Reinhard Jirgl. Mit Sloterdijks Ausnahme handelt es sich um Mitglieder des PEN-Zentrums Deutschland, das jetzt in Bamberg tagt. Ich gehöre seit zwei Jahrzehnten dem Deutschen PEN an und habe zu unserer Jahrestagung in Bamberg (21.-24. April) diesen Antrag gestellt:
Wir, die in Bamberg versammelten Mitglieder des Deutschen PEN, stellen uns vor Ludwig Schick, den Erzbischof unserer Gaststadt. Er ist Morddrohungen ausgesetzt. Denn er hat gesagt: »Wer Flüchtlinge und Asylsuchende abweist, gegen sie hetzt, ihnen Hilfe verweigert, das Leben erschwert statt erleichtert, der kann sich nicht Christ nennen.«


Wir beklagen, dass unter den deutschen Schriftstellern, Dichtern und Intellektuellen Leute laut werden, die sich in einem erneut anschwellenden Bocksgesang als Mandarine des Hasses gegen die Flüchtlinge betätigen. Ein durchaus Behauster glaubt zu fremdenfeindlichen Zwecken, er sei »der letzte Deutsche«, ja »ein Obdachloser«, er will lieber in einem –»aussterbenden Volk leben« als »mit anderen Völkern aufgemischt« zu werden. Im Kampf »gegen die Flutung des Landes mit Fremden« richtet er seine »Hoffnung allein auf ein wiedererstarktes, neu entstehendes ›Geheimes Deutschland‹.«


Zwei andere verlangen, bei der »Flüchtlingsproblematik« sollten wir zu »wohltemperierter Grausamkeit« fähig sein. Der eine warnt vor Deutschlands »Überrollung« durch Angela Merkels »Politik des Souveränitätsverzichts«, der zweite nennt dies eine Politik der »moralistischen Infantilisierung« und vertritt die Lehrauffassung, dass Menschenwürde antastbar ist. Denn sie sei kein »allen angeborenes Organ wie Arme oder Beine«.
Der vierte verwahrt sich gegen eine »›Flüchtlings‹«-Analogie zur »Vertreibung 1945«. Die dürfen wir nicht mit der heutigen »Masseneinwanderung« vergleichen. Denn die Einwanderer hätten uns die USA auf den Hals gehetzt in der Absicht, »Europa weiter wirtschaftlich und politisch zu deregulieren«.


Das alles sind nationalistische und rassistische Töne und Handlungsanweisungen, mit denen wir, die in Bamberg versammelten Mitglieder des Deutschen PEN, nichts zu tun haben wollen. Zugleich sprechen wir, Christen und Nichtchristen, dem Erzbischof dieser Stadt unseren Respekt aus.


Während diese Ausgabe von Ossietzky an ihre Leser ausgeliefert wird, entscheiden die in Bamberg versammelten PEN-Mitglieder, ob sie diesen Antrag annehmen, abändern oder ablehnen. Die Mehrheit kann auch beschließen, sich mit dem Antrag nicht zu befassen.