Make sure that May ends in April«, rief Bernd Riexinger seinen britischen Freunden bei seiner Rede im Bundestag zu. Dass Theresa May nicht mehr weitermacht, ist aber unwahrscheinlich. Schließlich hat sie sogar ihren Rücktritt angeboten, wenn ihre Fraktion endlich ihrem Deal mit der EU zustimmt. Und nicht mal das zog! Deshalb spricht sie jetzt lieber mit der Opposition – aber auch da ist keine Übereinkunft in Sicht: Jeremy Corbyn will Neuwahlen, May fürchtet sie, und wohl zu Recht. Und die EU hat mit der nochmaligen Verschiebung des Austrittstermins signalisiert, dass sie wirklich alles tun will, um einen harten Brexit zu verhindern, also erpressbar ist. Und dabei wollte sie doch selbst erpressen: Seht her, was für schlimme Folgen ein Austritt hat! Das war nicht nur an die Briten gerichtet, sondern an alle Austrittswilligen. Nur deshalb ist die Sache jetzt so verfahren, wie sie ist, denn es liegt nicht an den handelnden Personen: It’s the economy, stupid!
Die Wirtschaft nimmt gerade klaren Kurs auf Rezession. Daimler will sogar die Spenden an die Parteien einsparen! Und zu der Überproduktionskrise kommt noch die Boykott- und Sanktionspolitik der USA, die immer mehr Schlupflöcher für die europäische und asiatische Konkurrenz schließt. Keine Ausnahmen mehr wollen die USA zulassen: Öl aus dem Iran darf niemand mehr importieren, es sei denn, er riskiert harte Sanktionen. Auch sanktioniert wird, wer an Syrien Öl liefert: Seit Monaten legt kein Öl-Tanker mehr in Syrien an. Venezuela wird ebenfalls boykottiert, wer nicht folgt, wird sanktioniert. So zwingen die USA unliebsame Regierungen in die Knie – oder aber zwingen die übrige Welt dazu, diese Erpressung mit Gegenmaßnahmen zu konterkarieren. Ob das gelingen kann, ist noch unklar, aber überlebenswichtig auch für China und Russland, die sich dem US-amerikanischen Druck nicht beugen wollen und selbst als nächste Opfer des Boykott- und Sanktionswahns auserkoren sind. Der wird nur noch getoppt vom Rüstungswahn und dem Wahn, dass hinter allem »der Russe« steckt. Darüber lachen können jetzt die Ukrainer, die einen Komiker zum Präsidenten gewählt haben, um einen Schokoladenfabrikanten loszuwerden. Die verarschen sich wenigstens selber.
Ein Jet der Flugbereitschaft der Bundeswehr ist bei der Notlandung in Berlin-Schönefeld nur knapp einem Unglück entgangen, der Flughafen musste stundenlang geschlossen werden. Na, wenigstens kam diesmal kein Regierungsmitglied zu spät zu irgendeinem Gipfel, es war ein Rückflug ohne Passagiere von der Inspektion. Eine Panne im perfiden Plan der Russen, die natürlich – wer sonst? – an den sich in den letzten Monaten häufenden Funktionsstörungen der Flugzeuge der Bundeswehr schuld sind. Nein, das hat noch keiner behauptet, aber ich wette, demnächst kommt doch irgendjemand auf die naheliegende Idee.
An der Wahl Trumps sind die Russen jetzt nicht mehr so ganz schuldig, jedenfalls hat der Mueller-Report keine Verbindungen Trumps zu russischen Regierungsstellen vor seinem Regierungsantritt belastbar nachweisen können. Was der Report aber nachweist, sind diverse Bemühungen Trumps, die Arbeit Muellers zu behindern, Zeugen einzuschüchtern und falsche Aussagen zu machen – nur kann man dafür nicht unbedingt die Russen verantwortlich machen.
Manchmal ist auch ein Ukrainer schuld. Eine 6000-Dollar-Gold-Uhr vom ukrainischen Oligarchen und Ex-UEFA Vizepräsidenten Surkis, die er »aus Höflichkeit« angenommen hatte, zwang DFB-Präsident Grindel zum Rücktritt. Eine Lichtgestalt war er nicht – einem wie Beckenbauer hätte so eine Uhr selbstverständlich nicht geschadet.
Lichtgestalten sind aber rar, sogar in der SPD. Auch wenn Andrea Nahles ein positives Bild zeichnet: »Die Frage, wofür wir eigentlich stehen, ist mit neuem Selbstbewusstsein aufgeladen« (SPD-Vorsitzende Andrea Nahles gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, zitiert nach jW, 17.4.19). Wie, bitte, kann eine Frage mit Selbstbewusstsein aufgeladen werden? Und wie lautet eigentlich die Antwort auf die Frage, wofür die SPD eigentlich steht? Die Antwort liefert Frau Nahles ungewollt gleich mit: Für inhaltsleeres Geschwafel steht die SPD. Und daran ist wer schuld? Schröder, der jetzt für Gazprom arbeitet – also doch wieder die Russen!
Und wenn die es nicht sind, dann irgendein Waldschrat, der mit den Veröffentlichungen von Militärgeheimnissen nervt. »Warum diskutiert die Welt über diesen Waldschrat?« fragt bild-online am 13. April. Julian Assange konnte nicht weiter in der ecuadorianischen Botschaft in London bleiben, sein karges Asyl wurde von Präsident Moreno beendet, den WikiLeaks zuletzt der Korruption bezichtigt hatte. Nun drohen dem Begründer der Plattform WikiLeaks in den USA ein Verfahren wegen Konspiration zur Veröffentlichung von »Militärgeheimnissen« (also Kriegsverbrechen) und eine langjährige Haftstrafe. Noch ist er in England, nur weltweite Solidarität könnte eine Auslieferung an die USA verhindern. Solidarität, wie sie Chelsea Manning übt, die gerade in US-Beugehaft sitzt, weil sie nicht gegen Assange aussagen will. Das Imperium nimmt übel – und die Bild-Zeitung hetzt gegen einen Mann, der sich nicht mehr wehren kann. Wer ist schuld?