7.4.: Widerspruch für die Verharmloser
Im Onlineportal Rubikon und manch anderen Medien sprießen die Virologie-Experten und Hobby-Epidemiologen wie Pilze aus dem Boden. Sie eint das sichere Wissen, die Corona-Pandemie sei ein Fake, wahlweise von Bill Gates, der Weltgesundheitsorganisation oder der Pharmaindustrie erfunden. Und sowieso gilt ihnen das COVID-19-Virus als harmlos, jedenfalls nicht gefährlicher als die saisonale Grippe. Über den deutschen Tellerrand mag niemand schauen. Von den schrecklichen Bildern aus New York, wo die Corona-Toten in Massengräbern beigesetzt werden, in einfachen Holzkisten zu dreien übereinander und in langen Reihen, lassen sie sich nicht beeindrucken, so wenig wie zuvor schon von den Triage-Berichten aus dem italienischen Bergamo oder dem benachbarten Elsass.
In einem vielbeachteten Aufsatz widerspricht der Schweizer Professor Paul Robert Vogt den Verharmlosern. Die rein statistische Beurteilung der Pandemie sei »unmoralisch«, fragen müsse man die Leute »an der Front«: »Keiner meiner Kollegen – und ich natürlich auch nicht – und niemand vom Pflegepersonal kann sich erinnern, dass in den letzten 30 oder 40 Jahren folgende Zustände herrschten, nämlich dass: erstens ganze Kliniken mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose besitzen; zweitens ganze Intensivstationen mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose aufweisen; drittens 25 Prozent bis 30 Prozent der Pflegenden und der Ärzteschaft genau jene Krankheit auch erwerben, welche jene Patienten haben, die sie betreuen; viertens zu wenig Beatmungsgeräte zur Verfügung standen; fünftens eine Patientenselektion durchgeführt werden musste, nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil wegen der schieren Anzahl an Patienten schlicht das entsprechende Material gefehlt hat; sechstens die schwerer erkrankten Patienten alle dasselbe – ein uniformes – Krankheitsbild aufgewiesen haben; siebtens die Todesart jener, die auf den Intensivstationen verstorben sind, bei allen dieselbe ist; achtens Medikamente und medizinisches Material auszugehen drohen.«
10.4.: Verwaister Petersplatz und Bürgerkrieg im Vatikan
Am Karfreitag fahren wir raus in unseren Garten, auch wenn es abends eigentlich noch zu kalt ist, dort zu übernachten. Ferien sind Ferien. Es ist das erste Mal, dass unsere Kinder die Ostertage nicht mit den Großeltern begehen und ohne Cousinen und Cousins. Entsprechend ist die Stimmung trotz schönster Sonne eingetrübt. Was ist schon eine Laube am Stadtrand im Vergleich zu Urlaubstagen bei Oma und Opa in Süddeutschland. Auch die sind traurig ob der Trennung, deren Ende nicht absehbar ist.
In Rom ist Franziskus allein. Der Papst betet den Kreuzweg – ohne Pilger. Der Petersplatz ist verwaist. Die Bilder des einsamen Mannes vor großer Kulisse werden sich an den Ostertagen wiederholen. Umso stärker ist da seine Mahnung zu internationaler Kooperation und Solidarität mit den Schwachen. Kein Staat dürfe bei der Bewältigung der Corona-Krise und der Besorgung notwendiger Materialien auf sich gestellt sein. Dazu sollten »auch die internationalen Sanktionen gelockert werden, die es den betreffenden Ländern unmöglich machen, ihre Bürger angemessen zu unterstützen. Alle Staaten sollten in die Lage versetzt werden, die notwendigsten Maßnahmen in Angriff zu nehmen, indem die Schulden, welche die Bilanzen der ärmsten Länder belasten, teilweise oder sogar ganz erlassen werden.« Der Papst bleibt sich treu. »Diese Wirtschaft tötet«, hat er schon 2013 den real existierenden Kapitalismus in seinem apostolischen Schreiben »Evangelii Gaudium« angeprangert. Der Argentinier ist der »Prophet im globalen Chaos«, wie Marco Politi in seinem Buch »Das Franziskus-Komplott« (Herder-Verlag 2020) schreibt, das ich während der Urlaubstage lese. Franziskus sei in der gegenwärtigen sozio-ökonomischen Lage der »einzige Leader von internationalem Format, der grundlegende Fragen nach der ›Unbilligkeit‹, der ›inequità‹ aufwirft, wie er es in mit einem von ihm geschaffenen Neologismus nennt«. Wachsende Ungleichheit und systemische soziale Ungerechtigkeit, neue Formen der Sklaverei und das epochale Problem der Migrationen seien die Themen, auf die der Papst immer wieder zurückkomme – und dafür aus den eigenen Reihen massive Anfeindungen erfahre. Auch sonst unterstütze der vatikanische Apparat das Reformbemühen des Papstes nicht. Der Journalist berichtet spannend wie in einem Krimi von einem »permanenten Bürgerkrieg« in Rom. »Kein Papst der modernen Zeit war je so verhasst wie Franziskus«, so Politi.
14.4.: COVID-Dienst mit Spielzeugkoffer
Meine Frau fährt ärztlichen Corona-Dienst bei der Berliner Feuerwehr. Arbeitsgeräte sind selbst mitzubringen. Und so muss das kleine rote Arztköfferchen aus der Spielzeugecke unserer Tochter für den Einsatz herhalten – er ist aus Plastik und kann mit seiner glatten Oberfläche nach jedem Hausbesuch mit COVID-19-Verdacht leicht desinfiziert werden.
16.4.: Keine Siegesparade in Moskau
Wegen der Virus-Folgen verschiebt Russland die für den 9. Mai geplanten Veranstaltungen anlässlich des Jahrestages des Sieges im Zweiten Weltkrieg über den deutschen Faschismus, darunter die große Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau. Die Feier soll im weiteren Jahresverlauf nachgeholt werden, verspricht Präsident Wladimir Putin den Veteranen seines Landes.
20.4.: Homeschooling ohne Ende
Die Ferien sind vorbei, Homeoffice und Homeschooling gehen in eine zweite Runde. Als Eltern werden wir mit einer Flut von Mails mit unzähligen Pdf-Anhängen zu den diversen Fächern überschüttet, dazu eine neue App, die nach zehnseitiger Lektüre über ihre Funktion und Zielsetzung installiert werden soll. Eine Aussicht auf reguläre Wissensvermittlung in den dafür vorgesehenen Gebäuden mit den dafür ausgebildeten Fachkräften gibt es nicht – zum ausdrücklichen Bedauern meiner Kinder. Sie wollen wieder mit ihren Mitschülern lernen, selbst mit denen, die sie sonst nicht mögen. Alles ist besser als das ständige Hausaufgabenmachen ohne vorherigen erklärenden Unterricht. Rechtecke, Drachen, Parallelogramm, Komparativ-, Modal- und Temporalsätze – ich kann zuhause mittlerweile verschiedene Fächer in verschiedenen Jahrgangsstufen parallel betreuen. Pause ist erst wieder am 8. Mai. Aus politischen wie pädagogischen Gründen sollte der Gedenk- und Feiertag fortan jedes Jahr begangen werden.