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Titel102013

Gute Gründe für kommunale Energieversorgung  (Claudia Löhle)

Eine sozial gerechte Energiewende kann in Berlin nur gelingen, wenn die Energieversorgung wieder in städtischer Hand ist. Deshalb fordert der Berliner Energietisch die Rekommunalisierung des Stromnetzes und die Gründung eines ökologischen und demokratisch kontrollierten Stadtwerks. Dafür sammelt ein Bündnis aus Verbänden, das hinter dem Energietisch steht, noch bis zum 10. Juni Unterschriften für das Volksbegehren »Neue Energie für Berlin«. 200.000 Unterschriften sind für den erfolgreichen Abschluß der zweiten Phase des Volksbegehrens erforderlich.

Aber schauen wir kurz zurück, wie alles begann: Mit dem kleinen Verein BürgerBegehren Klimaschutz (BBK) gab es einen Akteur, der sich bereits einen Namen als Experte für Stromnetzkonzessionsverträge gemacht hatte. Mit diesen Verträgen wird einem Energieversorger das kommunale Stromnetz zeitweise überlassen. Sie laufen in der Regel 20 Jahre. Weil viele Städte und Gemeinden zu Beginn der Neunzigerjahre Konzessionsverträge geschlossen haben, laufen sie bis 2014 bundesweit flächendeckend aus. So steht Ende 2014 auch der Neuabschluß der Berliner Stromnetzverträge an. Der Rückkauf der Netze lohnt sich. Denn Berlin profitiert langfristig von den sicheren Einnahmen aus dem Netzbetrieb. Das erwirtschaftete Geld bleibt in der Region, statt wie bisher in die Taschen des schwedischen Atom- und Kohlekonzerns Vattenfall zu fließen.

Auf Initiative von attac Berlin, BBK und PowerShift fanden schon 2010 die ersten Treffen statt, um sich über die Möglichkeit der Übernahme des Berliner Stromnetzes durch die Stadt Berlin auszutauschen. Im Sommer 2011 wurde schließlich der Berliner Energietisch ins Leben gerufen. Nachdem die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung im Koalitionsvertrag von SPD und CDU lediglich als Prüfauftrag verankert wurde, beschloß der Energietisch, ein möglichst breites gesellschaftliches Bündnis zu schmieden, um mit gemeinsamer Kraft ein Volksbegehren vorzubereiten. Nach intensiven Diskussionen und insgesamt zwölf Energietischtreffen wurde ein gemeinsamer Gesetzentwurf beschlossen.

Dieser sieht die Gründung kommunaler Stadtwerke und einer Netzgesellschaft vor. Zweck der Netzgesellschaft ist die Übernahme der Stromnetze zum 1. Januar 2015. Die Stadtwerke sollen dazu beitragen, daß langfristig die Energieversorgung Berlins zu 100 Prozent auf der Grundlage dezentral erzeugter erneuerbarer Energien erfolgt. Neben ökologischen Kriterien enthält der Gesetzentwurf jedoch auch weitgehende soziale und demokratische Vorgaben.

So fordert der Energietisch eine sozialverträgliche Energiewende. Das Stadtwerk soll der wachsenden Energiearmut und den heute vielfach üblichen Strom-Abklemmungen entgegenwirken. Die gezielte Beratung einkommensschwacher Haushalte sowie die geförderte Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte sind mögliche Mittel.

Ein weiteres Kernanliegen ist die Beteiligung der BerlinnerInnen. Sie sollen die Energieversorgung demokratisch mitgestalten. Daher sind weitgehende Mitbestimmungsrechte vorgesehen, beispielsweise ein Initiativrecht. Sammelt eine Initiative 3.000 Unterschriften von Berliner EinwohnerInnen, wird sie vom Verwaltungsrat angehört. Der Verwaltungsrat entscheidet daraufhin innerhalb von drei Monaten über den Vorschlag. Sammelt eine Initiative 5.000 Unterschriften ist der Verwaltungsrat verpflichtet, eine konsultative Kundenbefragung durchzuführen. Für Stadtwerk und Netzgesellschaft gelten klare Transparenzvorgaben: Das Motto lautet: Transparenz statt Geheimverträge.

Auch all die Beschäftigen, die jetzt bei Vattenfall für das Berliner Stromnetz arbeiten, sollen bei der neuen Berliner Netzgesellschaft arbeiten, alle Beschäftigungsverhältnisse sowie Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen übernommen werden.

Damit diese Forderungen umgesetzt werden, startete der Energietisch im März 2012 die erste Stufe eines Volksbegehrens. Vier Monate später reichte der Berliner Energietisch 36.089 Unterschriften ein. Damit hatte das Bündnis sein selbstgestecktes Ziel von 25.000 weit übertroffen. Nachdem der Senat bereits die vollständige Zulässigkeit des Gesetzentwurfs festgestellt hatte, mußte sich das Abgeordnetenhaus mit dem Inhalt des Volksbegehrens befassen. Eine Einigung lag gar nicht so fern. Alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Oppositionsparteien hatten bereits einen Unterstützungsbeschluß getroffen. Und sogar die SPD hatte auf ihrem Parteitag im Juni letzten Jahres für die Unterstützung gestimmt. Nach Gesprächen mit den beiden Regierungsparteien SPD und CDU deutete sich auch ein möglicher Kompromiß an. Doch die Behandlungsfrist verstrich, und somit wurde das Volksbegehren schließlich nicht übernommen. Daher war klar, daß das Volksbegehren in die nächste Runde geht.

Bis zum Start der zweiten Stufe wuchs das Bündnis noch einmal deutlich an. über 50 Organisationen sind mittlerweile dabei. Seit 11. Februar heißt es jetzt »entweder – oder«. Entweder es gelingt, innerhalb von nur vier Monaten 200.000 Unterschriften zu sammeln. Oder eine Riesenchance ist vertan.

Nach zwei von vier Sammelmonaten konnte ein positives Zwischenfazit gezogen werden. Wer mitgesammelt hat, weiß: Das Volksbegehren kommt gut an. So sind trotz Schnee und eisiger Kälte in den ersten beiden Monaten fast 50.000 Unterschriften zusammengekommen. Im Vergleich zu bisherigen Volksbegehren ein guter Start. Doch die Zielmarke sind 200.000 Unterschriften. Werden sie bis zum 10. Juni gesammelt, können die BerlinerInnen selbst über die Energieversorgung ihrer Stadt abstimmen und ein bundesweites Signal für eine ökologische, demokratische und soziale Energieversorgung setzen.

Auf einem Flyer hat der Energietisch sieben gute Gründe für eine kommunale Energieversorgung zusammengestellt. Er ist neben weiteren Informationen zum Volksbegehren unter www.berliner-energietisch.net zu finden.

Claudia Löhle ist Geschäftsstellenleiterin des Vereins BürgerBegehren Klimaschutz und Mitglied im Kampagnenteam des Berliner Energietisches.