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Titel1411

Parteigründungen  (Sergej Guk)

Das russische Justizministerium hat grünes Licht für die neue Partei »Gerechte Sache« gegeben: Sie wurde registriert. Ihr Name spielt auf geschichtliche Ereignisse an, die uns Russen heilig sind. Nach Hitlers Überfall im Jahre 1941 rütttelte Stalin die Nation mit den Worten auf: »Unsere Sache ist gerecht; der Feind wird geschlagen, der Sieg wird unser sein.« Gleichzeitig erteilte das Justizministerium einer anderen Rechtspartei namens »Partei der Volksfreiheit« (abgekürzt PARNAS) eine Abfuhr. Logisch: Die erste gilt als ein Projekt des Kremls, die zweite als eine oppositionelle, also aus obrigkeitlicher Sicht unerwünschte Vereinigung.

Vorsitzender der »Gerechten Sache« ist der Oligarch Michail Prochorow, laut Forbes der drittreichste Milliardär Rußlands. In der Öffentlichkeit hat er sich hauptsächlich bei zwei Gelegenheiten bemerkbar gemacht. Vor einigen Jahren wurde der Tycoon, der in Begleitung eines Dutzends nicht besonders zimperlicher Mädchen in einem französischen Kurort weilte, von der Ortspolizei in Gewahrsam genommen. Man warf ihm unsittliches Benehmen vor. Die Medien berichteten genüßlich darüber. Der zweite Fall amüsierte niemanden. Vor einigen Monaten forderte Prochorow auf einer Sitzung des Verbandes der Industriellen und Unternehmer die Regierung auf, die gesetzliche Arbeitszeit von 40 auf 60 Stunden zu verlängern. Ohne entsprechenden Lohnzuschlag, versteht sich. Daraufhin mußte Ministerpräsident Wladimir Putin die aufgebrachte Öffentlichkeit beruhigen und versichern, niemand denke an die Rückkehr zu zaristischen Verhältnissen.

Und nun steht dieser vielversprechende Mann an der Spitze der neuen »Gerechten Sache«. In der Gründungsversammlung versprach der Oligarch, aus der Organisation »keine Partei der Oligarchen zu machen«. Auch der Kreml solle unbesorgt sein: Das Wort »Opposition« werde aus dem Wortgebrauch schonungslos entfernt. Er überlasse es den Rivalen von der nicht erlaubten Partei PARNAS. Weder Business noch Intelligenz kämen als potentielle Mitstreiter in Betracht. Prochorow kündigte an, er werde sich an die Familienväter wenden, die tagtäglich ihr Brot zu verdienen hätten. (Was er ihnen anzubieten hätte außer 60 Stunden Wochenarbeitszeit, darüber schwieg der Geldsack.)

Fast einstimmig wurde Prochorow zum Parteivorsitzenden mit unbegrenzten Vollmachten ernannt. Die Mitgliedschaft wurde aus den Restbeständen verschiedener in den 1990er Jahren gegründeter, inzwischen in Vergessenheit geratener rechtsliberaler Vereinigungen zusammengekratzt, wofür Prochorow laut The New Times , der englischsprachigen Ausgabe der Wochenzeitung Nowoje wremja, 100 Millionen Dollar opferte. An übertriebenem Kleinmut leidet der Tycoon nicht. Bei der nächsten Parlamentswahl im kommenden Dezember will er »mindestens 15 Prozent der Stimmen« erreichen. Kenner der Politszene behaupten, der Kreml werde die »Gerechte Sache« mit seinen »administrativen Ressourcen« unterstützen. »Mir scheint, ich wäre kein schlechter Ministerpräsident«, sagte Prochorow vor der Presse. Und er könne sich auch vorstellen, irgendwann in ferner Zukunft Anspruch aufs Präsidialamt zu erheben.

Mit dem Konkurrenten von PARNAS hat die Exekutive kurzen Prozeß gemacht. Offenbar befürchtete sie, die neue Partei könne Putins »Eigenes Rußland« schwächen. Das Justizministerium warf PARNAS unter anderem Unzulänglichkeiten im Statut vor. Die Parteigründer konterten: Den ganzen Text des Statuts hätten sie Wort für Wort bei »Eigenes Rußland« abgeschrieben. Dann fanden die Beamten auf den Mitgliederlisten einige verstorbene Personen sowie ein paar Minderjährige. Das wiederum weckte bei PARNAS den Verdacht, Geheimdienststellen könnten der Partei die falschen Aufnahmeanträge zugespielt haben. Wahrscheinlich läßt sich die russische Obrigkeit von der alten Weisheit leiten, den Rivalen nicht zuzulassen, sei sicherer, als sich mit ihm politisch auseinandersetzen zu müssen.