Angenommen es stimmte, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der damaligen AfD-Chefin Frauke Petry 2015 Tipps gegeben hat, wie sie eine Beobachtung ihrer Partei durch den Verfassungsschutz vermeiden könne, die er selbst nicht wünsche, wie Anfang August in verschiedenen Zeitungen zu lesen war – würde dieser Vorwurf Maaßen in irgendeiner Weise schaden? Biedere Menschen denken vielleicht, dass er sich damit ebenso für sein Amt disqualifiziert habe, wie der Chef einer Dorffeuerwehr, dem nachgesagt wird, er habe einem Pyromanen Ratschläge gegeben, wie er sich bei der nächsten Brandstiftung verhalten muss, um nicht erwischt zu werden.
Nun ja, Vergleiche hinken, und in der Tat haben sowohl Maaßen als auch Petry in Abrede gestellt, darüber miteinander gesprochen zu haben. Aber wo Rauch ist, ist bekanntlich auch Feuer. Inzwischen wurde bekannt, dass es auch ein »längeres Gespräch« zwischen dem Parteivorsitzenden der AfD, Alexander Gauland und Maaßen gegeben hat, dessen Inhalt Gauland laut FAZ nicht öffentlich wiedergeben will. Aus Parteikreisen werde aber berichtet, Gauland habe von Maaßen wissen wollen, ob in der AfD-Fraktion des Bundestages ein russischer Spion arbeite. Dieser Verdacht sei jedoch durch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ausgeräumt worden.
Berührungsängste scheint es also weder auf der einen noch auf der anderen Seite zu geben. Aufgedeckt hat die Kontakte zwischen Maaßen und Petry deren ehemalige Vertraute Franziska Schreiber in einem Buch mit dem Titel »Inside AfD«. Die Autorin bekräftigte ihre Vorwürfe auf einer Pressekonferenz am 8. August durch die Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung. Sie unterstellte Maaßen zudem eine Wohlgesonnenheit gegenüber der AfD, ohne das im Einzelnen zu belegen. Die Mutmaßung jedoch, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz sei nicht interessiert an einer Überwachung der AfD durch den Inlandsgeheimdienst, spricht dafür.
In der Tat vermutet Maaßen die Gegner und Feinde der Demokratie offenbar überall, nur nicht auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Den mehrfach von nichtstaatlichen Organisationen ausgezeichneten und für den Friedensnobelpreis nominierten amerikanischen Whistleblower Edward Snowden zum Beispiel hält er für einen Verräter (Die Welt, 29.4.2014). Vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum Skandal um die Abhörpraktiken des amerikanischen Geheimdienstes NSA spekulierte Maaßen, dass Snowden ein Agent der russischen Geheimdienste sein könnte.
Im Fall des zu Unrecht in Guantanamo festgehaltenen Murat Kurnaz entschied Maaßen als Referatsleiter im Bundesinnenministerium, dass dessen unbegrenztes Aufenthaltsrecht in Deutschland verfallen sei, da er mehr als sechs Monate außer Landes gewesen sei und sich nicht bei den zuständigen deutschen Behörden gemeldet habe. Diese Auffassung wurde vom zuständigen Verwaltungsgericht als rechtswidrig verworfenen. Nach fünfjähriger Internierung in Guantanamo konnte Kurnaz 2006 nach Deutschland zurückkehren. Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin kritisierte Maaßens damaliges Rechtsgutachten als »falsch, empörend und unmenschlich«. Wegen seiner Rolle in dieser Angelegenheit lehnte es der Akademische Senat der Freien Universität Berlin ab, Maaßen als Lehrbeauftragten im Fachbereich Rechtswissenschaft zu berufen.
Und jetzt also die Affäre um die Kontakte des Verfassungsschutzpräsidenten zu Spitzenleuten der AfD. »Wir erwarten, dass sich Herr Maaßen unverzüglich erklärt«, verlangte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka. Er gehe davon aus, dass sich das Parlamentarische Kontrollgremium damit beschäftigen werde. »Dass ein Verfassungsschutzpräsident Tipps gibt, wie man eine Beobachtung umgehen kann, wäre ein gravierender Vorgang. Das wäre ungeheuerlich.« Gut gebrüllt, Löwe.