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Titel1618

Bella ciao jetzt und einst  (Matthias Biskupek)

Jenes Festival tief im Thüringischen, das weit in die Welt hinaus klingt, weil es von dort die Musik – die Weltmusik – bezieht, kann man jedes Jahr erneut loben. Nun heißt das einstige Tanzfest – die Einheimischen nennen es immer noch so – inzwischen RUDOLSTADT-Festival: Stadtmarketing der besonderen Art. Hier trifft sich friedliches Folk, auf das der Begriff »völkisch« so gar nicht zutrifft, denn Nazionalismen sind nicht gefragt in der Völkerfreundschaft der Sänger und Tänzer.

 

Gewiss, die Ruppigkeiten auf schmalen Wegen scheinen zuzunehmen; es sind halt so viele, die vor Bühnen und an Ständen drängen. Und vielleicht ist der AfDermännerton eine Äußerung, die auch freundliche Menschen manchmal wie eine Seuche nicht nur an der Wahlurne, ergreift.

 

Das diesjährige Gastland Estland war mit zig Akteuren dabei. Mancher nutzt die kleinen Ostseerepubliken, um Schönheiten von NATO-Manövern zu erklären, weil der Russe als solcher wieder mal ins Feindbild passt. Die Esten haben gewiss unter wechselnden Fremdherrschaften gelitten, so dass manchmal genau jene Zeit vergessen wird, als Estland mit eigentümlichem Stolz »judenfrei« genannt wurde (siehe Ossietzky 14/2018.)

 

Im nächsten Jahr soll Iran der Länderschwerpunkt sein, die »persische Musiktradition«. Ein mutiges und nicht ganz unkompliziertes Vorhaben der Festivalmacher, denn »Schurkenstaaten« sind bekanntlich nicht demokratisch und dürfen eigentlich keine demokratische Musik, was immer das sein könnte, pflegen. Das einstige tff, wie es als Tanz- und Folkfest mal abgekürzt wurde, hatte sich jedoch schon vor Jahren China eingeladen. Auch Griechenland war mal Gastland, exakt, als EU-Bürokraten es zum Hort eines teuflischen Finanzwesens machen wollten. Wir werden sehen, was Iran im nächsten Jahr als Stempel aufgedrückt bekommt. Kann ja sein, der Meister der jähen Wendungen und unerforschlichen Ratschlüsse aus Washington entdeckt bis dahin die Ajatollahs als good guys und tough boys.

 

Schwerpunkte waren dieses Jahr auch Veranstaltungen zum Arbeiterlied. Das ist jenes Genre, was auf SPD-Parteitagen gepflegt wird, bei denen die neue Zeit mitziehen soll. Hier hieß es: »Nie kämpft es sich schlecht für Freiheit und Recht!« Ein paar Wurzeln des heutigen Festivals liegen nämlich in jener Zeit, als »Sag mir, wo Du stehst!« ein DDR-Kampfbegriff war, weshalb »Eine brachialromantische Grablegung« als Motto für das Songposium in diesem Jahr hübsch passte. Auch wurde Hannes Wader bereits 2012 mit der höchsten hiesigen Auszeichnung geehrt, der RUTH. Es gab diesmal eine Werkstatt »Lieder schreiben«, den Vortrag »Rechtsrock« und zum guten Festivalschluss ein Konzert auf großer Heidecksburgbühne »Die Erde ist da für dich und mich«, frei nach Woody Guthrie. Bevor »We shall overcome« angestimmt wurde, das zu Tausenden zählende Publikum mitsang und unsereins dann doch an die Singeklubbewegung vor 50 Jahren erinnert wurde, standen auf der Bühne melancholische Iren, die polnische Gruppe »Hańba« (von denen Moderator Steffen Mensching sagte: »Solange es solche Polen gibt, ist die Welt noch nicht verloren«), Wenzel & Band, »Bucky« Halker und schließlich die Gruppe »Bella ciao« mit der laut Programmheft »50 Jahre italienisches Folk-Revival« gefeiert werden sollte.

 

Das ließ unsereinen dann doch passend an einen Abend in einer Münchner Kneipe erinnern. Wir hatten bei Gewerkschaftern etwas zum Theater erzählt und saßen nun mit unserer stimmgewaltigen Sängerin am Biertisch. Nebenan eine größere Gruppe Italiener, die bekanntlich nie leise sind. Da stimmte unsere Sängerin »Bella ciao« an – und die Kneipe, soweit italienischer Herkunft, sang mit. Woher wir braven Deutschen denn solches textgenau kannten? Ei, sprachen wir, das haben wir alle in der Schule gelernt! Lernen müssen! So fiel ein Abglanz der deutschen demokratischen Völkerverbindungstradition auch auf die heutige Bundesrepublik, die manchmal gern der Schulmeister für all unsere Nachbarn sein möchte.