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Titel2108

Militärischer Heimatschutz  (Rolf Gössner)

Nun hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit seinen Denkanschlägen, die er so häufig verübt, ein weiteres Etappenziel erreicht: Die Bundeswehr soll künftig auch mit militärischen Mitteln im Innern des Landes eingesetzt werden können. Um dies zu ermöglichen, holt die Große Koalition zum Schlag gegen die Verfassung aus.

Die Pläne sehen vor, daß die Bundesregierung den Einsatz der Streitkräfte generell anordnen darf, wenn bei einem besonders schweren Unglücksfall die polizeilichen Mittel nicht ausreichen. Damit sind nicht nur Naturkatastrophen gemeint, bei denen schon heute die Bundeswehr ohne militärische Mittel eingesetzt werden darf; künftig soll das auch bei geplanten Terroranschlägen gelten, und dann im Zweifel mit allem, was das Militär an Waffengattungen und Kriegswaffen zu bieten hat: mit Panzern, Kampfjets oder Kriegsschiffen. Diese Art von militärischer Amtshilfe kann die Bundesregierung einer Landesregierung auch gegen deren Willen aufzwingen.

Mit dieser Grundgesetzänderung wird ein Tabu gebrochen, das nicht zuletzt auf dem Hintergrund bundesdeutscher Geschichte von Bedeutung ist: Denn hierzulande sind Polizei und Militär schon aus historischen Gründen sowie nach der Verfassung strikt zu trennen. Die auf kriegerische Einsätze gedrillten Soldaten sind für polizeiliche Aufgaben gar nicht ausgebildet und demnach auch nicht auf den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit konditioniert.

Schon seit Jahren erleben wir nicht nur eine Militarisierung der Außenpolitik, sondern auch eine Militarisierung der »Inneren Sicherheit«. Die Bundeswehr ist in letzter Zeit so dreist und selbstverständlich im Innern eingesetzt worden, als hätte das Grundgesetz schon lange ausgedient. An solche heimischen Militäreinsätze sollte sich die Bevölkerung offenbar gewöhnen; schon die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und vor allem der G-8-Gipfel 2007 dienten als Exerzierfeld, um diesem Paradigmenwechsel jede Anstößigkeit zu nehmen.

Innenminister Schäuble und Verteidigungsminister Jung trachten danach, die Bundeswehr nicht nur im Notstandsfall, sondern regulär als nationale Sicherheitsreserve im Inland einzusetzen. Die bisherige Trennung in »Friedenszeit und Kriegszustand« lasse sich in Zeiten des transnationalen Terrorismus und »asymmetrischer terroristischer Bedrohungen« nicht länger aufrechterhalten, so war es bereits 2006 im letzten »Weißbuch« des Verteidigungsministeriums zu lesen. Zwar sind die CDU-Pläne, die Bundeswehr schon im Krisenfall für präventiv-polizeiliche Aufgaben einzusetzen und so zur militärischen Reservepolizei zu machen, politisch noch nicht durchsetzbar. Doch auch mit Salamitaktik kommt man weiter: Jetzt will die CDU das Tor mit einer Art Generalklausel öffnen, die verfassungsmäßige Trennung zwischen Militär und Polizei aufweichen sowie äußere und innere Sicherheit verschmelzen. Dann kann der staatliche Antiterrorkampf auch hierzulande zum Antiterrorkrieg werden – in dem menschenrechtliche Garantien außer Kraft gesetzt würden. Schon nach den jetzigen Plänen soll die Tötung von »Tätern« zulässig sein, wenn sich der Militäreinsatz ausschließlich gegen mutmaßliche Täter richtet (taz 7.10.08).

Militärischer Heimatschutz also nicht mehr nur zur Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch, sondern auch im Sauerland. Das verweist auf einen fatalen Zusammenhang: Je mehr sich die deutsche Außenpolitik an Militärinterventionen weltweit beteiligt, desto größer wird die Gefahr von Terroranschlägen gegen die Bundesrepublik. Das heißt: Die Bundesregierung wappnet sich gegen mögliche Reaktionen auf ihre eigene fatale Außen- und Kriegspolitik mit Quasi-Kriegsrecht und Bundeswehreinsatz im Innern. Kollateralschäden an der Heimatfront inbegriffen.