Walter Steinmeier, zu noch Höherem bereit. – Innerhalb weniger Monate haben SPD-Politiker wie Franz Müntefering, Kurt Beck, Erhard Eppler, Sigmar Gabriel, Ottmar Schreiner und Helmut Schmidt Bücher herausgebracht, teilweise vielleicht sogar selber geschrieben. Ist es nicht an der Zeit, daß Sie als künftiger SPD-Kanzlerkandidat gleichfalls ein Werk zur aktuellen Lage und zur SPD-Politik veröffentlichen? Ein passender Titel wäre: »Wie wir die Sozialdemokratie kleinkriegen«.
Dieter Wiefelspütz, fast zufrieden. – Bei einem wissenschaftlichen Kolloquium über Politik und Verfassung zu Ehren des Berliner Verfassungsrechtlers Martin Kutscha stellten Sie als Experte der SPD-Bundestagsfraktion klar: »Diese Bundesrepublik ist der qualifizierteste Rechtsstaat weltweit«, »Unsere Polizeikultur in Deutschland ist grandios, beispielhaft«, es sei »kompletter Schwachsinn zu behaupten, wir lebten in einem Überwachungsstaat«, vielmehr werde die Rechtsstaatlichkeit »an der einen oder anderen Stelle übertrieben«. Demnach ist sozialdemokratische Rechtspolitik an ihr Ende gelangt und kann sich verabschieden. Höchste Zeit für Sie, noch rasch einige rechtsstaatliche Übertreibungen zu entfernen. Und wenn Sie das nächste Mal eine solche Rede halten, werden wackere Frauen und Männer aufstehen und das »Deutschlandlied« singen.
Erhard Eppler, Vordenker vom Dienst. – Wenn es gilt, die SPD-Politik gesundzubeten, sind Sie ein verläßlicher Helfer. Bei der Vorstellung Ihres neuen Buches, das der Sozialdemokratie einen neuen Frühling verheißt, blickten Sie kritisch zurück: »Die marktradikale Epoche hinterläßt eine Gesellschaft, deren Gerechtigkeitsempfinden stärker verletzt ist als jemals zuvor seit der Gründung der Bundesrepublik.« Die Finanzkrise beende diese Epoche, die »mit Thatcher in Großbritannien und Reagan in den USA begonnen« habe. Ja, der Beginn – aber es gab epochale Fortführer, auch und gerade in Deutschland. Sie hätten Gerhard Schröders diesbezügliche Leistungen ruhig erwähnen dürfen.
Sigmar Gabriel, Wahlkampfstratege. – Schon zur Europawahl, so Ihre Aufforderung, soll die SPD die Finanzmarktturbulenzen zum zentralen Wahlkampfthema machen und deren »Verursacher« angehen, die »Neokonservativen« und »Neoliberalen«. Für Deutschland nennen Sie »Friedrich Merz mit seiner CDU/CSU und Guido Westerwelle mit der FDP«. Sie verlassen sich offenbar auf die Vergeßlichkeit des Publikums. Nicht Merz und Westerwelle regierten zu der Zeit, als die Bundesrepublik dem spekulativen Kapital von staatswegen weit geöffnet wurde.
Berthold Huber, Hilfswilliger. – Als Chef der IG Metall erklärten Sie sich per Spiegel bereit, »auf die wirtschaftlichen Unsicherheiten tarifpolitisch zu reagieren«. Eine Ihrer Hilfsideen war, mit der Acht-Prozent-Lohnforderung das Angebot zu verbinden, die Laufzeit des Tarifvertrages auf 20 Monate oder länger auszudehnen. Das bedeutet: Die Arbeitgeber stünden dann in dieser Zeit keinen neuen gewerkschaftlichen Wünschen nach Lohnerhöhung gegenüber. Bitte vergessen Sie nicht, wenn Sie Ihren Vorschlag den Mitgliedern Ihrer Gewerkschaft unterbreiten, zu erwähnen, daß in derselben Zeit die ArbeitnehmerInnen ganz gewiß steigenden Kosten für die Lebenshaltung gegenüberstehen werden.
Thomas Schmid, Springerphilosoph. – In der Welt am Sonntag schreiben Sie mit der Autorität des Chefredakteurs gegen den derzeitigen »illiberalen Hang auch der Eliten« an, »eine Götterdämmerung der freien Marktwirtschaft herbeizureden«. Gegen das »Elend der neuen Staatsgläubigkeit« stellen Sie Ihren Glauben: »Der Markt ist vorschußgetrieben. In dem Sinne ist er ein metaphysisches Unternehmen zur Verbesserung der Welt. Wenn wir in der gegenwärtigen Krise etwas brauchen, dann nicht eine Marktagnostik, sondern einen neuen metaphysischen Vertrauensschub. Die markt-atheistische Haltung ist, wie der scharfe Atheismus insgesamt, nur scheinbar realistisch.« Das klingt wunderbar. Allerdings werden sich die Finanzmagnaten auf Ihre Marktreligion allein nicht verlassen können, deshalb haben wir mit viel Machtphysik zu rechnen.
Benedikt XVI., Trostspender. – Die sich häufenden schwarzen Freitage haben Sie dazu veranlaßt, ein Wort zum Sonntag zu sprechen: »Wir sehen jetzt durch den Zusammenbruch der großen Banken, daß Geld einfach verschwindet, daß es nichts bedeutet und daß alle Dinge, die uns so wichtig erscheinen, in Wirklichkeit zweitrangig sind.« Banker werden es nicht sein, die Sie da ansprachen; denn daß Geld nichts bedeutet, wird denen von Berufs wegen nicht einleuchten. Aber Häuslebauern, deren Kredit verschwindet, mag bei der Zwangsversteigerung ein päpstliches Wort zur Beruhigung dienen.
Franz Josef Jung, Blech-Minister. – Sie hören oft und gern Blechmusik, reden viel Blech und wollen nunmehr Ihre Soldaten mit Blech dekorieren. »Angesichts der gestiegenen neuen Forderungen in den Einsätzen, die auch Gefahren für Leib und Leben nach sich ziehen können«, sei es »nur konsequent, die Angehörigen der Bundeswehr nunmehr für besondere Tapferkeit im In- und Ausland auszeichnen zu können«, erläuterten Sie. Und es macht wirklich was her, wenn einem Soldatensarg ein Kissen mit dem »Tapferkeitskreuz« vorangetragen wird. »Bundeswehr – Karriere mit Zukunft« stand denn auch beziehungsreich auf einem Transparent am Stand der Bundesmarine auf der jüngsten Hamburger Schiffsmesse. Eine lange Zukunft. Beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge liegt man viel länger als auf unseren Friedhöfen üblich.