erstellt mit easyCMS
Titel2111

Argumente für die Berufswahl  (Hans Canjé)

»Kein Job wie jeder andere, sondern Ihre Chance auf eine abwechslungsreiche und spannende Zukunft« ist, wie die Polizei Niedersachsen in einer Anzeige verheißt, denjenigen garantiert, die sich für den Polizeiberuf in Niedersachsen entscheiden. Diesem verlockenden Berufsbild begegnet man in einer Sonderbeilage der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit zum Abitur 2011/12 mit Tips zu Studium, Ausbildung und Freiwilligendiensten. Gesucht werden »teambegeisterte, interessierte und engagierte junge Leute«, auf die bei der niedersächsischen Polizei »ein sicherer Arbeitsplatz mit guten Entwicklungsmöglichkeiten, flexiblen Arbeitszeiten und einer hervorragenden Vereinbarkeit von Beruf und Familie« wartet. Dieses schöne Berufsleben, wie es sich junge Leute von heute kaum noch vorstellen können (»sicherer Arbeitsplatz«) findet nicht irgendwo, sondern »überall dort« statt, wo die Polizei gebraucht wird: »Mitten im Leben!« Und wenn man da mitmacht, ist das auch noch ein »klares Bekenntnis für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit« und zu alledem auch »eine Entscheidung gegen Monotonie und Langeweile«.

Angesichts jüngster Vorkommnisse »mitten im Leben« läßt sich dieser Offerte noch einiges hinzufügen. Etwa: Mit uns lernen Sie ganz Deutschland in seiner Schönheit kennen. Kollegen wanderten beispielsweise Ende September durch die Mark Brandenburg bis in Fontanes Geburtsstadt Neuruppin. Verbunden war damit, wie einem Leserbrief an eine hauptstädtische Zeitung zu entnehmen, engste Tuchfühlung mit Bürgern der Stadt, zudem ein Kurs in Körperertüchtigung und eine Unterweisung in Sachen Fotografie (»Wer bringt den originellsten Schnappschuß?«). Für einige Beteiligte war der Ausflug auch ein Freundschaftsbesuch, in diesem Fall für Polizisten aus Nordrhein-Westfalen auf Einladung der Brandenburger Kollegen. Gemeinsam gingen West- und Ostpolizei gegen Demonstranten vor, die mit einer Sitzblockade gegen einen neonazistischen Aufmarsch protestierten.

Exekutiert wurde ein »klares Bekenntnis für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit«, wie wir es in den zurückliegenden Monaten zum Beispiel in Dresden, Dortmund und anderenorts intensiv erlebt haben, wenn die Polizei »den Nazis den Weg freigeräumt« hat, wie es der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Brandenburger Landtag, Axel Vogel, beschrieb. Die Demonstranten wurden mit Gewalt von der Straße getragen, vier Stunden eingekesselt, die Körper wurden abgetastet, sie wurden fotografiert. Denn, so wurden sie belehrt: Sie hatten sich »rechtsstaatlich kriminell strafbar« gemacht.

Das wird wohl so lange polizeiliche Praxis bleiben, wie die derzeitige Rechtsprechung gilt. Jenes Recht also, dem zufolge die deutsche Justiz einerseits die braunen Aufmärsche als »rechtsstaatlich« legitim und vom »Recht auf freie Meinungsäußerung« gedeckt betrachtet und andererseits den Widerstand der in Sonntagsreden der amtierenden Staatslenker zur »Zivilcourage« und zum »Gesichtzeigen« aufgerufenen Bürger als rechtswidrig und auch noch als kriminell ahndet. Die Autoren solcher Werbeanzeigen, wie sie unlängst in der Zeit veröffentlicht wurden, könnten demnach weitere Motive für die »Entscheidung gegen Monotonie und Langeweile« ansprechen. Empfohlen sei etwa der Hinweis auf ein mögliches naturkundliches Studium, speziell der Gewürzkunde, noch präziser der zielgerichtete Umgang mit Gummigeschossen und Pfefferspray.