»Guten Abend, Herr Jung«, wünscht Marietta Slomka am Tag, an dessen Morgen wieder zwei seiner Soldaten am fernen Hindukusch ihr Leben verloren hatten. »Müssen Sie«, fragt die Heutejournal-Moderatorin, »die deutsche Bevölkerung darauf vorbereiten, daß solche Trauerfeiern, wie wir sie eben gesehen haben, daß es die nun immer häufiger geben wird?«
Jung spult wortreich alles ab, was die Frage nicht beantwortet: Zunächst tiefer Betroffenheit Ausdruck geben. Hinterhältiger und heimtückischer Anschlag. Mitgefühl für Angehörige. Menschenverachtende, brutale Vorgehensweise. Und noch mal hinterhältig und feige.
Doch Frau Slomka zeigt kein Mitleid mit dem Minister, der wegen zwei toter Soldaten eigens seinen Urlaub unterbrochen hatte: »Noch mal trotzdem zu meiner Eingangsfrage: Gehen Sie davon aus, daß es solche Attentate immer öfter geben wird, daß Sie also immer öfter Trauerfeiern für deutsche Soldaten erleben werden.«
Der Minister beantwortet die Frage wieder nicht, er weicht aus: »Also, wissen Sie, wir können hier von Statistiken ausgehen, die helfen aber nicht viel weiter.« Aber um das verquere Eingeständnis kommt er nicht herum. Ja, in Kundus gebe eine kritische Situation: »Deshalb haben wir Verstärkungskräfte nach Kundus geschickt, die getöteten Soldaten gehörten zu den Verstärkungskräften.« Und da spricht sie es aus, das böse, das unerwünschte Wort: »Herr Jung, in diesem Sinne: Kann man sagen, daß die beiden deutschen Soldaten heute gefallen sind?«
Das verbittet sich Jung, die Konsequenz bedenkend: »Ich denke, man sollte hier eine solche Diskussion nicht führen, weil ich der Auffassung bin: Das ist kein Krieg, das ist eine asymmetrische Bedrohungslage. Deshalb ist dies kein Krieg, und deshalb sollten wir eine solche Wortwahl auch nicht gebrauchen.«
Die tapfere Slomka läßt sich nicht einschüchtern, die ZDF-Moderatorin zum Minister: »Man kann doch eine reale Situation nicht dadurch besser oder schöner oder weniger gefährlich machen, wenn man den Begriff Krieg nicht in den Mund nimmt. Das ist doch ein Krieg, was dort stattfindet.«
Jung bleibt stur und schaltet auf einen Volkswillen, der hinter ihm stehe: »Nein, das ist es nicht. Das ist etwas völlig anderes. Und da muß ich auch sagen, das empfindet auch unsere Bevölkerung als etwas völlig anderes. Und deshalb finde ich, daß gerade an einem solchen Tag und bei einem solchen Ereignis wir eine solche Diskussion nicht führen sollten.«
Hinter dem Minister flattert die – wie Bild sie nennt - »schwarzrotgeile« Flagge, und er fährt fort: »Es lenkt nämlich auch ab von dem, was unsere Aufgabe dort vor Ort ist.« Und dann wieder die alte Leier: Unsere Sicherheit herstellen. Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen. Wenn wir den Terror nicht in Afghanistan bekämpfen, dann kommt der Terror auch zu uns, hinterhältig und feige. Das Jung-Repertoire zum Krieg, den man nicht Krieg nennen darf.
Kein Krieg, keine Gefallenen?
Vier Tage später spricht er das Unwort doch aus. Auf der nun schon üblich gewordenen Trauerfeier in Zweibrücken (s. Ossietzky 18/08) sagt er: »Ich verneige mich in Dankbarkeit und Anerkennung vor den Toten, die im Einsatz für den Frieden für unser Land gefallen sind.«
Gefallen. Gefallen in der asymmetrischen Bedrohungslage? Zumindest das Duden-Wörterbuch kennt solche Gefallene nicht, da fällt man nur im Krieg. Im Krieg, den wir gegen die Afghanen führen.
Drei Tage später wird bekannt, daß zur Zeit der Trauerfeier in Zweibrücken deutsche Soldaten in Afghanistan das Feuer auf ein Auto eröffneten. Fünf afghanische Zivilisten wurden schwer verletzt. Die Schilderung des »Vorfalls«, die der deutsche Presseoffizier gab, folgte dem Schema, das wir seit 1999, seit unserem Krieg gegen Jugoslawien, kennen: Das Auto habe sich mit überhöhter Geschwindigkeit dem Checkpoint genähert, es habe nach der Abgabe von Warnschüssen nicht gehalten, darauf mußte man das Feuer eröffnen.
Jungs Nachruf auf die beiden »gefallenen« Fallschirmjäger: »Stabsgefreiter Schmidt war bekannt als leidenschaftlicher Soldat, der seinen Weg zielstrebig gegangen ist. Er war geprägt von Wissenshunger und dem Antrieb, seinen Dienst in der Bundeswehr zu verlängern. Auch Stabsgefreiter Schmidt verfügte bereits über Einsatzerfahrung im Kongo und in Afghanistan.«