Das Stück heißt »November«, weil es sich wenige Tage vor einer US-Präsidentenwahl abspielt. Verfasser David Mamet, bei uns auch als Mitarbeiter an dem erstklassigen Film »Wag The Dog« (mit Robert DeNiro und Dustin Hoffmann) geschätzt, hat sein neues Bühnenwerk nicht schubladenmäßig eingeordnet. Ich würde es eine groteske Anekdote in drei Akten nennen. Einer Journalistin, deren Namen ich höflicherweise verschweige, mißfällt das Stück, sein Stil ist nicht nach ihrem Geschmack, den ich nicht haben möchte. Bei Mamet ist vieles aggressiv, manches kritisch und bissig. Wer satirische Kunst nicht schätzt, wie die Kollegin, sollte sich an jenes Augsburger Versandhaus wenden, welches Hedwig Courths-Mahlers positive Liebesromanzen preiswert (und garantiert diskret) in jedes Haus liefert. Das Stück befaßt sich mit Sauereien, die bei amerikanischen (und anderen) Wahlen vorkommen.
Die Kultur-Publizistin rezensiert »November«: »80 Seiten in zwei Stunden. Sprachdurchfall im Renaissance-Theater: Rufus Beck hat achtzig Seiten Text gelernt. In atemberaubenden Tempo schnurrt er das Zeug herunter. Eine beachtenswerte Leistung, die Energie, Disziplin und Kondition erfordert« – bekanntlich von jedem Schauspieler. »Zumal die vielen Worte aus Papier sind, ungestisch ...« – Worte waren niemals aus Papier, standen aber meistens auf Papier, auch auf Berliner Zeitungspapier. »Ungestische« Worte hat vielleicht Bertolt Brecht entdeckt und getadelt. Dem Autor Mamet, seinem Übersetzer Bernd Samland, dem Regisseur Torsten Fischer oder den Darstellern Rufus Beck, Tilo Prückner, Anna Franziska Srna, Nikolaus Okonkwo kann man nicht nachreden, sie hätten »eine niemals abreißende Quatscherei« und »Sprachdurchfall« geboten. Und in dieser Art auf Friedrich Schoenfelder loszugehen, den Senior der hiesigen Schauspiel- und Rezitationskunst, ist kühn, um nicht zu sagen tollkühn.
Der zitierten Expertin glückt folgendes Fazit: »Im Ankündigungstext steht: ›Das Weiße Haus ist auch nur eine Pension Schöller.‹ Das klingt super, stimmt aber nicht. Weder auf der Bühne des Renaissance-Theaters noch im echten Leben.« Das schreibt jemand, der niemals den Schwank »Pension Schöller« gesehen hat. Die Pension Schöller ist nämlich auf der Bühne ein Domizil für Geisteskranke, und als solche Einrichtung »im echten Leben« beschreibt David Mamet, nicht ganz grundlos, das Weiße Haus.
Regisseur Torsten Fischer hat die November-Satire durchaus im Griff, wobei ihm seine vorzüglichen Schauspieler und der intelligente Bühnenbildner Herbert Schäfer virtuose Helfer sind. Apropos Virtuosität. Rufus Beck ist nicht nur zur Freude des Publikums ein bedeutender Darsteller, sondern auch, wie ich mir einbilde, zur Freude seiner Kollegen. Gewiß wird an diesem Abend viel und schnell gesprochen. Man führt ja weder einen Stummfilm auf noch eine Pantomime. Ärgernisse kann man nicht flüsternd beschreiben. Das Theater, bemerkte Majakowski treffend, ist kein Spiegel, sondern ein Vergrößerungsglas. Man sah hier deutlich, was gemeint war, und applaudierte. Denn »im Leben und im Drama kommt es darauf an, recht zu haben« (Börne). Und das war an diesem Abend, scheint mir, der Fall. Auch noch am Schluß, als uns Friedrich Schoenfelder in seinem lang erwarteten Auftritt als indianischer Würdenträger mit bombastischem Federschmuck und tödlichem Blasrohr kurz und knapp demonstriert, daß selbst diese imposante Rothaut weniger edel als korrumpiert ist.