Sigmar Gabriel, ganz flexibel. – Mit einer Programmschrift für die Sozialdemokratie möchten Sie sich profilieren. Das Werk, von Andrea Nahles und Frank-Walter Steinmeier gleichermaßen gelobt, ist jetzt unter dem Titel »Links neu denken. Politik für die Mehrheit« erschienen. Journalisten sagen Ihnen nach, daß Sie sich damit als SPD-Kanzlerkandidat für die übernächste Bundestagswahl anmelden wollen. Aber das wäre ein verfrühter Start. Bis dahin dürfte Ihnen auch noch ein neuer Buchtitel einfallen, der jetzige ist vermutlich als Schnellreaktion auf die Finanzkrise zu erklären. Bis vor kurzem war als Titel für Ihr Werk vorgesehen: »Politik für die Mitte«. Vielleicht kann Friedrich Merz Sie mit seinem Buchtitel anregen: »Mehr Kapitalismus wagen«.
Roland Koch, stets fit. – Seit Sie Ihr Amt kommissarisch verwalten, haben Sie Ihren Horizont erweitert: »Wir sind das Land der Dichter und Denker« heißt der Slogan, mit dem in Zeitungsanzeigen für Ihre Landesregierung geworben wird. Hessen sei »ein Hochleistungs-Fitneßstudio für jeden Denksport«, ist im Text zu lesen, und wer wird neben Goethe als Kronzeuge dafür genannt? Adorno. Roland Koch ein »Frankfurter Schüler« – ob das Ihren Getreuen gefallen wird? Macht aber nichts, erst mal geht es darum, die Frau mit dem griechischen Namen abzuwehren.
Andrea Nahles, nach vorne blickend. – Mit dem eiligen Parteitreffen, bei dem die SPD-Delegierten die Nominierungen ihres Parteivorsitzenden und ihres Kanzlerkandidaten abnicken durften, zeigten Sie sich hochzufrieden: »Es ist uns gelungen, gute Stimmung zu verbreiten.« Es sei »die Funktion eines Parteitages, selber überzeugt zu sein, um andere überzeugen zu können«. Jetzt werde »nach vorne diskutiert«. Vorn – da liegt mit Sicherheit eine Regierungsbildung, wenn die Wahl absolviert ist. Irgendwie wird daran die SPD beteiligt sein. Und niemanden würde es verwundern, wenn Sie dann Ministerin werden. Münte wird kein Veto einlegen, Sie haben sich längst bewährt.
Peer Steinbrück, gekränkt. – Sie klagen über die Undankbarkeit der privaten deutschen Banken, die von Ihrem »Schutzschirm« bisher keinen Gebrauch machen wollen – aber was nicht ist, kann noch werden, Sie sollten sich daran erinnern, daß es die Großbanker selbst waren, die Ihnen die Rettungspläne entworfen haben, und die werden sich dabei etwas gedacht haben; sie werden auch wissen, weshalb sie sich jetzt genierlich zeigen. Zögerlichkeit beim Griff nach dem Schirm kann sich bezahlt machen – für die, denen er Schutz bieten soll. Auch Sie sind schon kleinlaut geworden beim Reden über Obergrenzen von Bankierseinkünften.
Benedikt XVI., überaus moralisch. – Nach katholischer Lehre gehören Geiz und Gier zu den sieben Todsünden. Halten Sie es da nicht für angebracht, sich jetzt in einer aktuellen Enzyklika angesichts der durch Gier und Geiz hervorgerufenen weltweiten Finanzkrise mit deren Folgen vor allem für die Armen und für das kapitalistische Wirtschaftssystem zu befassen, anstatt auch in diesen Wochen unentwegt Ihre bekannte Haltung zu Verhütungsmitteln und zum Zölibat zu wiederholen? Apropos: Sollen Priester Kondome benutzen oder nicht?