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Titel2509

Mißbrauchte Bundeswehr  (Jochen Scholz)

Am 3. Dezember hat der Deutsche Bundestag den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr erneut um ein Jahr verlängert (446 Ja-, 105 Nein-Stimmen, 143 Enthaltungen), obwohl noch offen ist, zu welchem Ergebnis die Londoner Afghanistan-Konferenz im Januar führen wird, nach der die Bundesregierung über eine Erhöhung der Truppenstärke entscheiden will. Die Fraktion der Linkspartei stimmte als einzige geschlossen mit Nein und hielt damit gegenüber der den Bundeswehreinsatz ablehnenden Mehrheit der Bevölkerung ihr Versprechen ein: »Nach der Wahl ist vor der Wahl.« Aus der Fraktion der Grünen kamen viele Stimmenthaltungen.

Die Parlamentsmehrheit verschließt die Augen vor drei Fakten. Erstens: In diesem Krieg geht es nicht etwa darum, den Afghanen eine Zukunftsperspektive für ein materiell gesichertes Leben in Rechtssicherheit zu eröffnen, sondern um ganz andere, geopolitische Ziele. Zweitens: Aus dem von der UNO als Hilfsmission mandatierten Einsatz ist ein Krieg gegen aufständische Afghanen geworden, die sich gegen die Besetzung ihres Landes wehren. Damit ist die völkerrechtliche Grundlage für ISAF entfallen, die nach dem Grundgesetz (Artikel 20, Absatz 3) für Bundestag, Bundesregierung und Bundeswehr eine unverzichtbare Einsatz-Voraussetzung ist. Fälschlich werden die Aufständischen übrigens kollektiv als »Taliban« bezeichnet – eine unzulässig verkürzte Darstellung des Aufstands. Drittens: Sollte die Parlamentsmehrheit der irrigen Auffassung sein, daß mehr Soldaten und eine zeitliche Ausweitung dieses Krieges mehr Sicherheit für die afghanische Bevölkerung bewirken, sollte sie die Entwicklung der Lage seit 2005 studieren. Die Zahl der Gefechte, Scharmützel und Sprengstoffanschläge pro Woche hat sich in diesen vier Jahren verzwölffacht.

Botschafter a. D. Arne Seifert (Verband für Internationale Politik und Völkerrecht), hat in der Dezemberausgabe von Wissenschaft und Frieden mit einem anschaulichen Bild beschrieben, wofür der Krieg in Afghanistan geführt wird: »Diese (von den USA; J.S.)als »AfPak« (Afghanistan und Pakistan) apostrophierte Strategie trägt dem Wunsch der USA Rechnung, hier den Grund für langfristige Präsenz zu bereiten, sozusagen für ein ›Standbein‹, um ihrem ›Spielbein‹ Mobilität zu ermöglichen in Richtung Zentralasien, Iran, Indien sowie Persischer Golf und Arabisches Meer.«

Wie die New York Times kürzlich enthüllte, steht der Drogenboß und Bruder des afghanischen Präsidenten, Ahmed Wali Karzai, auf der Gehaltsliste der CIA. General Khodaidad, afghanischer Anti-Drogen-Minister warnte umgehend: Wer im Glashaus sitze, solle nicht mit Steinen werfen. Die NATO-Kontingente aus den USA, Großbritannien und Kanada schöpften in den unter ihrer Kontrolle stehenden Landesteilen Gewinne aus der Opiumproduktion ab. Die doppelbödige Drogenpolitik der USA hat schon eine jahrzehntelange Tradition. Alfred McCoy hat hierzu ein Standardwerk verfaßt (»Die CIA und das Heroin«). Vor diesem Abgrund an Zynismus stellt sich noch drängender die Frage: Wie oft will der Bundestag den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch noch verlängern?