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Krawall in Tibet  (Volker Bräutigam)

Die Massenmedien verbreiten mal wieder Greuelmärchen, diesmal über angebliche Greueltaten der Chinesen in Tibet. Bedenkenlos geben sie Gerüchte über »mehr als hundert Tote« als bare Münze aus. Chinesische Soldaten hätten »rücksichtslos in die Menge geschossen«. China habe Tibet »von der Außenwelt abgeriegelt«, deshalb sei nun eine »humanitäre Katastrophe« zu befürchten. Quelle solcher »Meldungen« sind die »Exilregierung« des Dalai Lama und sein von der CIA gut geschmierter Propaganda-Apparat einschließlich mehrerer Radiosender und weltweiter Netzwerke. Sie sind allzeit bereit, die Volksrepublik China jedweden Unrechts zu bezichtigen. Die »Exilregierung« ist nicht demokratisch legitimiert und sitzt zudem weitab in Indien, von wo aus sie Agitation und Subversion in Tibet steuert. Aber die Dubiosität einer solchen Informationsquelle wird geflissentlich ignoriert.

Tibetische Agitatoren tönten sogar, es seien »möglicherweise schon mehrere hundert Tote« zu beklagen. Der Dalai Lama, seines Friedensnobelpreises unwürdig, drehte die Lautsprecher noch weiter auf und empörte sich über einen »kulturellen Völkermord an den Tibetern«. Hiesige Massenmedien verbreiteten die Hetzparolen, als wären sie die heilige Wahrheit.

Die chinesischen Behörden wiesen die im Ausland produzierten Nachrichten zurück und erklärten, es habe bis dahin 14 Tote gegeben, ausschließlich Chinesen, zumeist erstochene Angehörige der Bereitschaftspolizei. Aber solche Angaben hatten in der voll entbrannten Propagandaschlacht keine Chance mehr. Die Frankfurter Rundschau titelte »Das Sterben der Tibeter« und lag mit dieser Überschrift und dem Unsinn darunter im internationalen Trend.

Tibet wird als widerrechtlich besetztes Land dargestellt. China habe Tibet »gewaltsam annektiert«. Das wird zwar mit keinem völkerrechtlichen Diktum belegt (UN-Beschlüsse, Urteile des Internationalen Gerichtshofs), gilt aber als unumstößlich. Skepsis darf gar nicht erst aufkommen. Dafür sorgen romantisierende Darstellungen einer buddhistischen Idealgesellschaft in Tibet. Entworfen wurden diese Trugbilder von dem alten Nazi Heinrich Harrer, dem Begründer der unerschütterlichen Tibetophilie hierzulande; er hatte beim befreundeten Dalai Lama sein behagliches Nachkriegsasyl gefunden, wo er blieb, bis er sich in Deutschland wieder blicken lassen durfte.

Die Kulturregion Tibet ist seit Jahrhunderten ans chinesische Reich gebunden. Gut zur Hälfte, nach Norden und Osten hin, ragt sie in die chinesischen Provinzen Qinghai, Gansu, Yunnan und Sichuan. Das südliche Tibet war über große Zeiträume autonom, aber – weltweit unbestritten – kein unabhängiger Staat, schon gar nicht ein Nationalstaat neuzeitlicher Prägung. Bis in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts war Tibet eine Theokratie, ihr Dalai Lama geistliches und weltliches Oberhaupt eines von Gewalt und sogar von Sklaverei ­geprägten Gemeinwesens. Das bettelarme Bauernvolk hatte Heerscharen unproduktiver Mönche zu ernähren und das Feudalleben eines absolutistischen Gottkönigs zu finanzieren. Die tibetische Klosterkultur mit ihren reichen Tempeln ­erwuchs nicht aus der Großmut erleuchteter Oberhirten, sondern aus der ­Knochenarbeit des in Aberglauben, Unwissenheit und Analphabetentum gehaltenen Bauernvolks.

Seit die Chinesen den mönchischen Herrscherclan des Dalai Lama verjagt haben, gibt es manchen Anlaß zur Kritik an ihrem Vorgehen (unter anderem an den Zerstörungen während der sogenannten Kulturrevolution) und ihrer Verwaltungspraxis. Überdies ist der Umgang der Regierenden in Peking mit den Menschenrechten inakzeptabel, nicht nur in Tibet. Daß die Chinesen aber, wie derzeit wieder behauptet wird, »Tibet wegen seiner reichen Bodenschätze usurpiert« hätten, ist horrender Unsinn. Sie investieren viel, um Tibet zu einem modernen Gemeinwesen zu entwickeln: Rund 80 Prozent der Gesamtkosten für Bildungs- und Gesundheitswesen, Wohnungsbau, Verkehrsnetz (einschließlich Eisenbahnbau im Himalaja), Energie- und Wasserversorgung, wirtschaftliche Infrastruktur, Technisierung von Handwerk und Landwirtschaft etc. und für die Gebietsverwaltung werden von Peking getragen. Tibet wird von den Chinesen nicht lediglich bevormundet und übervölkert, es wird von Peking auch kräftig subventioniert.

Bewertet man die aktuellen Nachrichten kritisch und berücksichtigt auch die Darstellung der anderen, der chinesischen Seite, so gibt es keinen Zweifel an schweren Gewalttätigkeiten. Von Straßenkrawallen, Brandstiftungen und Plünderungen waren Läden und Fahrzeuge von Chinesen sowie Behörden betroffen. Schutz- und Bereitschaftspolizei gingen dagegen vor. Alle Ausländer wurden mit Hinweis auf die gefährliche Lage (und wohl auch zur Entfernung von agents provocateurs) aufgefordert, Tibet zu verlassen.

So kurz vor den Olympischen Spielen in Peking mindern die Krawalle das Ansehen der Volksrepublik China in den »Augen der Welt« (wie sich die Medienmonopole in der »westlichen Wertegemeinschaft« gern nennen). Die Clique um den Dalai Lama erntet vermehrte Beachtung und Hilfe bei ihren separatistischen Bestrebungen. Der Gottkönig verlangt nicht nur »Autonomie für Tibet innerhalb der VR China«, er betreibt die Abspaltung Tibets mit allen Mitteln, auch mit Aufrufen an seine Mönche zur Gewalt. Diese Kultfigur der Esoterik ist kein Friedensengel. Er und seine Unterstützer, die Lenker der »freien Welt« wittern derzeit eine Chance, »Kosovo« zu spielen und das Völkerrecht ein weiteres Mal auszuhebeln. Geostrategisches Ziel ist Tibet als Idealstandort für Raketenbasen, von denen aus die USA die Machtkonkurrenten China und Indien unter Druck setzen, den ostasiatischen Großraum unter Kontrolle halten und Russland noch enger als bisher militärisch umstellen können.

Indien, zu keiner Zeit ein freundlicher Nachbar der VR China, hat diesmal nicht in den Aufschrei »Peking verletzt Menschenrechte!« eingestimmt. Die indischen Behörden haben Protestaktionen von Exiltibetern gewaltsam unterbunden und tibetische Mönche inhaftiert.

Deutschland dagegen steht fest an der Seite der USA und des Dalai Lama. Kanzlerin Merkel hat ihn im vorigen Jahr im Kanzleramt empfangen. Das war eine der wichtigsten Stationen auf seiner Rundreise durch westliche Hauptstädte, die im Oktober in Washington endete und den Separatisten zum internationalen Gegenspieler der chinesischen Regierung aufwertete. Wurden im Kanzleramt Details des gegenwärtigen tibetischen Gewaltausbruchs vorbesprochen? Neuer Affront gegen die VR China: Merkel fordert nun den direkten »Dialog« zwischen der Regierung in Peking und dem Dalai Lama. Ihr Stellvertreter im CDU-Vorsitz, Roland Koch, verlangt gar, die Olympischen Spiele in Peking abzusagen.

Mit deutscher Unterstützung wird die Souveränität Pekings über die Westgebiete der VR China infragegestellt. Solche aggressive Politik kann weitere Menschenleben in Tibet kosten und wird Folgen für das deutsch-chinesische Verhältnis haben. Die Wühlarbeit geht weiter: Der Dalai Lama wird schon im Mai wieder nach Deutschland kommen.