Die deutsche »geistige Elite«, wie nicht nur Professor Manfred Pohl, sondern auch die Frankfurter Rundschau sie nennt, stellte in Frankfurt am Main ihren »Zukunftsrat« vor. Die erklärte Absicht ist, »Verantwortung zu übernehmen« und »das Land zu retten«. Leitender Ideologe und Manager des Rettungsunternehmens ist Professor Pohl, Haushistoriker der Deutschen Bank und führend auch im »Konvent für Deutschland« tätig; ihm zur Seite stehen unter anderen Oswald Metzger, Bernhard Bueb, Friedrich Merz, Wolfgang Clement, Wolf Singer, Peter Sloterdijk und Roland Berger, ein illustrer Kreis von um den Kapitalstandort Deutschland verdienten Persönlichkeiten und »Spitzenforschern«, wie uns die Presse mitteilt. Die wohlwollende Aufmerksamkeit des massenmedialen Gewerbes ist von vorn herein gesichert. Der »Zukunftsrat« hat nach eigener Aussage »Deutschland, Europa und die Welt im Blick«, er will eine »ganzheitliche und nachhaltige« gesellschaftspolitische Perspektive eröffnen, im Sinne einer »Reformierung der Reform«, mit der Zielangabe »Anpassung der Politik an den globalen Wettbewerb – Förderung der Zusammenarbeit der Systeme Politik und Wirtschaft«.
Originell ist dieses Wortgeklingel nicht, und man weiß zunächst nicht, zu welchem Zweck denn die vielbeschäftigten Politik- und Geistesgrößen neben der »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« und ähnlichen Propagandakompanien nun auch noch einen »Zukunftsrat« ins Feld schicken wollen. Aber bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, daß dieser durchaus seine spezifische Stoßrichtung hat, offenbar in Arbeitsteilung mit dem »Konvent für Deutschland«: Ein »klar definiertes Überlebensinstrumentarium für Deutschland« soll entwickelt und dem Publikum vertraut gemacht werden, genauer: eine Form politischer Entscheidungen jenseits »wahltaktischen« Verhaltens. Gemeint ist damit: Demokratie, wie sie die Verfassung der Bundesrepublik gegenwärtig noch vorschreibt, hat etwas Lästiges an sich.
In gewissem Umfange hat die politische Klasse auf Interessen und Gefühle beim Wahlvolk Rücksicht zu nehmen – muß das so bleiben? Manfred Pohl hatte schon vor einiger Zeit (in einem Interview mit der neurechten Zeitung Junge Freiheit) die Frage gestellt: »Ist die parlamentarische Demokratie, so wie wir sie haben, die richtige Staatsform für das 21. Jahrhundert?« Parlamentarismus bei allgemeinem, gleichem und freiem Wahlrecht enthält bekanntlich ein kleines Risiko: Unterschichten können durch unerwünschtes Votieren den Politikbetrieb stören. Oswald Metzger hat bei der Premiere des »Zukunftsrates« dezent auf dieses Problem hingewiesen; er plädierte dafür, daß »Hartz IV-Empfänger nicht länger im Fokus des politischen Interesses stehen sollen«. Aber es reicht sicherlich nicht aus, die Unterschichten aus der veröffentlichten Meinung zu verbannen...
Pohl hat in seinem Buch »Das Ende des weißen Mannes«, das Hans-Olaf Henkel in den Buchmarkt begleitete, ein dramatisches Bild vom kommenden »Weltkampf« ausgemalt, in dem die europäisch-amerikanische Kultur unterzugehen drohe. Zugleich hat er rettende Strategien angeboten: straffe soziale Hierarchisierung der »weißen« Gesellschaften, Umstellung des politischen Systems derselben auf unternehmerisches Kommando, Erziehung der Masse »zu mehr Arbeit und mehr Leiden«.
Vermutlich sind solche Beschreibungen gegenwärtig selbst seinen Freunden in der Vorstandsetage der Deutschen Bank etwas zu grell. Auf die Bundesrepublik hin betrachtet: Die großen Unternehmen und Finanzinstitute haben auch in einem von der Linkspartei angereicherten Parlamentarismus keinen Machtverlust zu befürchten, es geht kommod für sie zu. Aber ein »Zukunftsrat« denkt, wie sein Name schon sagt, über den Tag hinaus. Und so mag diese »geistige Elite« für ihre Gönner in der Wirtschaft denn doch das investierte Geld wert sein.