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Titel1009

Antworten

Angela Merkel, stets umsichtig. – Auch Sie mußten, das versteht sich von selbst, den Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern zurechtweisen, der die DDR »nicht als totalen Unrechtsstaat verdammt« wissen will. Also haben Sie als Abkanzlerin dem Mann empfohlen, »sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Die DDR war ein Unrechtsstaat«. Soweit nichts Bemerkenswertes. Aber dann haben Sie ergänzt: Das heiße nun nicht, daß es in der DDR »keine aufrechten Menschen bis in den Staatsapparat hinein gegeben habe«. Ein wohlüberlegter Zusatz, denn sonst wäre es ja nicht zu erklären, daß eine freiheitlich-demokratisch-protestantische junge Frau, wenn auch getarnt als FDJ-Funktionärin, ihren Platz in der Akademie der Wissenschaften der DDR erhielt, mit freundlicher Unterstützung des Staatsapparates.

Richard Schröder, begriffsgeschichtlich im Irrtum. –
Eine ganze Seite räumte Ihnen als einem prominenten theologischen Sozialdemokraten mit DDR-Hintergrund die Frankfurter Allgemeine ein, um der Ostalgie entgegenzutreten. Auch das nichts Originelles. Doch dann der Satz: »Das Wort Kapitalismus (ist) ursprünglich und bis heute ein schwammiger Kampfbegriff.« Das ist aus der Feder eines emeritierten Hochschullehrers eine überraschende Äußerung. David Ricardo, Ludwig von Mises, Joseph Schumpeter, Max Weber – sämtlich Kampfschreiber? Alles schwammig, was ihnen zum Begriff Kapitalismus eingefallen ist? Vielleicht haben Sie gedacht: Wenn man den Begriff für ein gesellschaftsgeschichtliches Phänomen schlechtredet, ist dieses selbst nicht mehr vorhanden. Ein theologischer Irrtum.

Renate Künast, zu anspruchsvoll. –
Beim grünen Parteitag hatten Sie den Klimaschutz als Projekt Ihrer Partei zu erläutern. Sie proklamierten: »Es gilt, die Sonne aus Schottland und den Wind aus Afrika zu holen«, was die Delegierten offenbar nicht irritierte; und so mußten Sie fragen: »Warum protestiert Ihr nicht, wenn ich so was sage?« Über den Mangel an geographischer Aufmerksamkeit bei Ihren Parteifreundinnen und -freunden sollten Sie sich nicht ärgern. Schottland hin, Afrika her, Berlin liegt näher, und was ist schon ein Klimaschutz-New-Deal, wenn’s darum geht, wie die Grünen sich in die Regierung hineindealen können.

Guido Westerwelle, sehr aufgeregt. – »Wir stehen vor einer schicksalhaften Wahl« – so der Kernsatz im Interview der Welt am Sonntag mit Ihnen. Deutschland steht, erzählen Sie dort, knapp vor dem Abgrund: Die Rot-Roten und die Grünen rutschen immer weiter nach links, und die Schwarzen werden mitgerissen. Rettung kann nur von den Gelben kommen, wenn diese die Schwarzen mit starker Hand vor dem Schlimmsten bewahren und regierend »die politische Achse der Republik wieder in Richtung Mitte geraderücken«. Daß sie die Bundestagswahl als »schicksalhaft« vor Augen haben, wundert uns nicht. Wenn Sie danach nicht endlich Außenminister werden, ist Ihre Uhr abgelaufen. Frustrale Erregungen hält kein Mensch auf die Dauer aus.

Franziska Drohsel, professionell. – Als Bundesvorsitzende der Jungsozialisten fordern Sie von Ihrer SPD »mehr Offenheit für eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag und eine linke (Bundes-)Regierung«. Nicht mehr zeitgemäß seien »Ausschlußformeln« gegen ein Bündnis mit der Linkspartei nach der Bundestagswahl. Franz Müntefering wird Ihnen diesen Vorstoß nicht übelnehmen, er kann ihn als jugendliche Minderheitsmeinung, bagatellisieren, und ein vom PV nicht autorisiertes Angebot an regierungswillige Linksparteiler kann nicht schaden; auch steht ja Oskar Lafontaine nicht ewig im Wege. Gekonnt füllen Sie Ihre Jung-Rolle aus. Und auch wenn Sie allmählich bruchlos von der Jung- zur Altsozialistin werden: Niemand braucht zu befürchten, von Ihnen werde jemals so etwas wie Sozialismus ausgehen.

Petra Bahr, Kulturbeauftragte der EKD. – Sie haben Sie sich dafür ausgesprochen, daß sich die Evangelische Kirche in Deutschland künftig »an öffentlichen Gedenkfeiern für gefallene Bundeswehrsoldaten beteiligt«; damit »könne sichergestellt werden, daß der Staat seine Rituale nicht selbst religiös auflädt«. Wie wäre es, wenn Ihre Kirche, statt über »christliche Trauerfeiern für tote Bundeswehrsoldaten« nachzudenken, die lebenden öffentlich dazu aufriefe, sich kriegerischen Einsätzen zu verweigern? Dann würde sie auch der Aufforderung Jesu gerecht werden: »Stecke dein Schwert an seinen Platz! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen« (Matthäus 26 Vers 52).