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Titel1810

Aus der Schwabenmetropole  (Kurt Pätzold)

Die Abonnenten der Stuttgarter Zeitung mochten am 20. August 2010 ihren Augen nicht trauen, als sie in ihrem Blatt auf die Überschrift stießen: »Selbst Konservative sind für die Kommunistin«. Doch konnten sie, weiterlesend, erleichtert durchatmen. Weder Sarah Wagenknecht noch eine andere Sympathien für den Kommunismus hegende oder ihrer nur verdächtige Frau war gemeint. Die Parteinahme galt einer Toten. Die gibt seit 1946 einer Straße im Stadtteil Sillenbuch der baden-württembergischen Landeshauptstadt ihren Namen. Dort hat sie Ende des 19. Jahrhunderts gewohnt und gelebt. Die Rede ist von Clara Zetkin. Die Erinnerung an sie im öffentlichen Raum zu pflegen, wurde möglich, als der Faschismus durch die Alliierten Armeen zur Strecke gebracht war. Diese Frau hatte es vielfach verdient, zuletzt noch durch ihr Auftreten in Deutschland im Jahre 1932, als sie als Alterspräsidentin des eben gewählten Reichstages die Eröffnungsansprache hielt. Es war ein antifaschistischer Mahnruf.

Die Bezeichnung für die Wohnzeile hat in Stuttgart anders als in Berlin die von antikommunistischer Wut geleiteten Tilgungen der neunziger Jahre überstanden. Und ihre Beibehaltung wird nun von den Sozialdemokraten bis zu den Konservativen, genauer: deren Vertretern im Lokalparlament, verteidigt. Das ist um so mehr hervorzuheben, als die »Rücktaufe« der Clara-Zetkin-Straße im Berliner Bezirk Mitte so etwas wie ein parteienübergreifendes Gemeinschaftswerk war, an dem Sozialdemokraten maßgeblich mitwirkten. Die dort seit 1951 nach der Revolutionärin benannte Straße, die die beiden Seitenflügel des Gebäudes der Humboldt-Universität tangiert, stößt an ihrem westlichen Ende nahezu direkt auf das Gebäude des Reichstages. Das machte Sinn. Nur nicht den von der Abgeordnetenmehrheit des Bundestages gewünschten. Die Kommunistin hatte einer Dame mit dem Namen Dorothea zu weichen, einer Kurfürstin von Brandenburg und gebürtigen Prinzessin von Holstein-Sonderburg-Glücksburg.

In Stuttgart, wo der in den Gemeinderat geratene Republikaner glaubte, mit seinem Vorstoß einen Skandal erzeugen zu können, eine Praxis, die ganz in der braunen Nazitradition liegt, wird die Kommunistin Namengeberin der Straße bleiben – wenn die dafür parteinehmenden Bürger sie auch gehörig weit von denen abrücken wollen, die heute in ihrer Tradition agieren, und Clara Zetkin deshalb zu einer akzeptablen Ausnahmeerscheinung der revolutionären Linken zurechtmachen. Eine gewisse Originalität kann im Chor der Fürsprecher das Argument einer zu Rate gezogenen Historikerin beanspruchen, die dem Einwand, die Frau sei doch keine Demokratin gewesen, entgegenhielt, das sei nach zeitgenössischem Verständnis auch Bismarck nicht gewesen und dennoch käme niemand auf den Gedanken, die nach ihm benannten Straßen in Deutschland umzutaufen.

Soviel aus der Schwabenmetropole.