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Titel2009

Antworten

Frank-Walter Steinmeier, Oppositionsführer. – Nach dem »bitteren Tag für die SPD« wollen Sie »aus der Verantwortung nicht flüchten« und nun mit Ihrer Fraktion im Bundestag die schwarz-gelbe Regierung das Fürchten lehren – und zwar so: Als Opposition werde die SPD »sehr genau darauf achten, wie sich die neue Regierung bewährt«. Die müsse »jetzt beweisen, daß sie es kann. Und ich behalte meine Zweifel, daß sie es kann.« Derart zweifelnde Beobachtung wird Angela Merkel und Guido Westerwelle in Angst und Schrecken versetzen.

Berthold Kohler, Futurologe. –
Im Leitartikel der von Ihnen mitherausgegebenen Frankfurter Allgemeinen sagen Sie dramatische Folgen des Wahlausgangs voraus: Grüne und Linkspartei würden als Oppositionsparteien verstärkt durch eine SPD, die »befreit von staatspolitischer Verantwortung ... wieder den Schulterschluß mit den Gewerkschaften suchen« werde. Und so werde »der Regierung Merkel II eine linke Phalanx entgegentreten, wie man sie in diesem Lande schon lange nicht mehr gesehen hat«. Zukunftsforschung ist ein Stochern im Nebel; wir sind jedoch ziemlich sicher, daß Sie uns zuviel versprechen.

Karl-Theodor zu Guttenberg, Volkserzieher. – Schönredner wollen Sie nicht sein. Darum haben Sie den vielzitierten »Menschen im Lande« fürs erste »harte Zeiten« angekündigt: »Wir werden sparen müssen, wir werden auf das eine oder andere Liebgewordene verzichten müssen«, um diese Aussage dürfe sich die Politik »nicht herumdrücken«. Als bisheriger und wohl auch künftiger Bundeswirtschaftsminister wissen Sie, wovon Sie sprechen – aber Sie hätten uns, da Sie »Wir« sagten, mitteilen sollen, worauf Sie verzichten werden.

Renate Künast, Schrittmacherin. – Kurz vor der Wahl haben Sie noch einmal die »Defizite« beklagt, die alle anderen Parteien aus grüner Parteisicht aufweisen, allerdings angemerkt, »eine höfliche Einladung« der Union zu »Sondierungen« würden Sie »nicht ausschlagen«. Solche Höflichkeiten der Schwarzen kann Grün nun erst einmal nicht erwarten. Aber noch ist nicht aller Tage Abend, und vorsorglich haben Sie hinzugefügt: »Von Joschka Fischer kann man ein bißchen lernen, nämlich eines nach dem anderen zu machen«. Jetzt notgedrungen wieder Opposition und dann bei der nächsten Gelegenheit Sondierung.

Ursula von der Leyen, Demographie-Expertin. –
Jetzt wissen wir, was das Problem ist, Sie haben klargestellt: »Das ist das Problem, daß Kinder, die vor 30 oder 40 Jahren nicht geboren worden sind, heute keine Eltern sein können.« Wie dumm ständen wir bei der Erforschung der Ursachen niedriger Geburtenraten da, wenn Sie uns nicht im Deutschlandfunk darauf gestoßen hätten.

Robert Zollitsch, vorsitzender deutscher Bischof. –
Ähnlich tiefschürfend haben Sie uns ebendort zum Frühstück erklärt, warum hierzulande der Kirchenbesuch zurückgeht: weil »der religiöse Grundwasserspiegel bei uns gesunken ist«. Jetzt würden wir aber gern noch von Ihnen erfahren, warum dieses metaphysische Naturereignis eingetreten ist. Weil der Kirchenbesuch zurückgeht?

Ulrich Khuon, neuer Intendant des Deutschen Theaters, Berlin. –
Auf die Frage der Zeitung Neues Deutschland, wie denn nun »der neue Stil des DT« aussehe – »wie will man das Publikum ansprechen?« –, antworteten Sie: Entscheidend sei »die innere Schlüssigkeit in der Beantwortung der Frage, wie man über die ›Einzelheit des Einzelnen‹ hinausgehen kann. Zuletzt steht man auch vor sich selbst oft genug wie ein Fremder da – und sucht dafür einen Ausdruck.« Der offenbar schwer zu finden ist.

Universität Leipzig. – Im vorigen Heft haben wir erwähnt, wie Sie bei Ihrer 600-Jahrfeier die 40 Jahre links liegen lassen, in denen Sie Karl-Marx-Universität hießen. Immerhin erinnern Sie in der Festschrift an drei Professoren aus jener Zeit, darunter Ernst Bloch, der sich wie auch Hans Mayer genötigt sah, in den Westen zu gehen. Dazu stellten wir die Frage, ob der Marxist Bloch heute bei Ihnen eine Professur bekommen könnte. Die Antwort liegt vor: Nach Fertigstellung des Neubaus für die gesellschaftswissenschaftlichen Fachbereiche 2002 meldete das Online-Magazin BauNetz: »Diskutiert wird noch über den Namen des Gebäudes: Solange die von einigen Wissenschaftlern bevorzugte Benennung ›Ernst-Bloch-Haus‹ nicht den Senat passiert hat, bleibt es beim ›Neubau Geisteswissenschaft‹.« Unterdessen hat die »Benennung« den Senat passiert mit dem Ergebnis, daß das Gebäude weiterhin offiziell »Neubau Geisteswissenschaften« heißt. Bloch bekäme in Leipzig keine Professur mehr.