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Bernd Lucke, Alternativkoalitionär. – Zielstrebig richten Sie die von Ihnen geführte Partei auf künftiges Mitregieren aus. Schon haben Sie einen Störfaktor aus dem AfD-Bundesvorstand entfernt, den NRW-Landesvorsitzenden Marcus Pretzell. Der hatte Sympathien für die britische UKIP zu erkennen gegeben, und die gilt als zu radikalistisch in der Vertretung rechtspopulistischer Politik. Bei Ihnen liegt ein Bündnis mit der CDU/CSU in der Perspektive, sobald die Christdemokraten auf einen neuen Partner angewiesen und durch die Konkurrenz der AfD zu dem Gefühl gekommen sind, machtstrategisch sei es an der Zeit für eine Öffnung nach weiter rechts hin. Auch Wolfgang Schäuble wird dann von Ihrer Partei nicht mehr als einer Schande für Deutschland sprechen. Schon ist die AfD ein schönes Stück weiter vorangekommen, nach Hans-Olaf Henkel hat der zweite Ex-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie sich dieser Partei zugewandt, und in den Goldmünzenhandel ist die AfD erfolgreich eingestiegen, zum Wohl der Parteikasse. Als besonders attraktiv erwies sich dabei die goldige Kopie einer D-Mark. So läßt sich Nostalgie politisch vermarkten, stimmenfängerisch.

Dieter Stein, neurechter Chefredakteur. – Nicht ohne schadenfreudige Gefühle schreiben Sie über den Auflagenrückgang alteingesessener bürgerlicher Zeitungen beim Wandel in der Medienwelt. Das von Ihnen geleitete Wochenblatt Junge Freiheit, so können Sie stolz berichten, ist von dem Abwärtstrend nicht betroffen, es hat seine Auflage gesteigert auf jetzt circa 23.000 verkaufte Exemplare, weitaus mehr sind es als bei der linksliberalen Konkurrenz der freitag, die auf Zuschüsse angewiesen ist. So kann sich rechte Demagogie auszahlen. Wenn es die Linke nicht versteht, dagegen auch medial etwas zu unternehmen.

Zur selben Zeit, da der dienstälteste Generalstaatsanwalt der Bundesrepublik, Erardo C. Rautenberg, in dem Fachblatt Neue Justiz eine »Demontage« des 1968 verstorbenen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer beklagt, hat das von Ihnen geführte Bundesjustizministerium einen »Fritz Bauer Studienpreis für Menschenrechte und juristische Zeitgeschichte« ins Leben gerufen. Der Preis erinnert an den Initiator des Auschwitz-Prozesses, dessen historische Leistung in jüngster Zeit in Frage gestellt wird. Mit dem Preis sollen herausragende Arbeiten des rechtswissenschaftlichen Nachwuchses ausgezeichnet werden, die sich mit Leben, Werk oder Lebensthemen Fritz Bauers befassen.

Sigmar Gabriel, Verbalabrüster. – Wiederholt und mit viel Verve haben Sie als Bundeswirtschaftsminister eine restriktivere Rüstungsexportpolitik angekündigt. Von diesem Kurs ließen Sie sich auch in Anbetracht von Arbeitsplatz-sorgen nicht abbringen, schleuderten Sie beispielsweise noch am 19. August 20 Betriebsräten großer Rüstungsunternehmen entgegen. Kritik aus den Reihen Ihres christdemokratischen Koalitionspartners wiesen sie in der Frankfurter Rundschau schroff zurück mit den Worten: »Die Gesamtperspektive der deutschen Rüstungsindustrie hängt nicht vom Export ab, und schon gar nicht vom Export auf die arabische Halbinsel.« Müssen deutsche Waffenschmieden nun um Aufträge bangen? Nicht doch, da sei Ihre ganz reale Genehmigungspraxis vor. Die hat jetzt bewirkt, daß sich arabische Staaten wie Katar, Algerien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate über weitere todbringende Lieferungen made in Germany freuen dürfen. Einmal ganz davon abgesehen, daß diese Länder die Menschenrechte mit Füßen treten, wird angenommen, daß sie die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) militärisch unterstützen. Die Konzernchefs von Heckler & Koch, EADS, Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann können, ungeachtet Ihres Geschwätzes, die Sektkorken knallen lassen.

XYZ, Bundestagsabgeordnete. –
Wenn Sie sagen, Krieg sei für Sie das letzte Mittel, geben Sie damit zu erkennen, daß Krieg für Sie ein Mittel ist, Ihren Willen (oder den Ihrer Partei oder der Bundesregierung) durchzusetzen. Damit bereiten Sie argumentativ den Angriffskrieg vor, den das Völkerrecht und das deutsche Verfassungsrecht verbieten. Sie wissen das. Aber Sie sollen auch wissen, daß wir es wissen.

Barack Hussein Obama, Weltherrscher.
– Sie haben die von Ihnen angeordneten Bombardierungen im nördlichen Syrien mit dem Selbstverteidigungsrecht der Iraker gerechtfertigt. Eine völkerrechtliche Glanzleistung.

Basler Zeitung und Zürcher Tagesanzeiger. – Nachdem Sie am 13. September berichtet hatten, Kuba schicke 160 Fachkräfte in den Kampf gegen die Ebola-Seuche, teilte google news wenig später mit, der Artikel sei »nicht mehr verfügbar«. Und bald folgte die Nachricht, die USA schickten 3000 Soldaten ins Seuchengebiet. Zufälle gibt’s.

Die Welt. –
Jahrzehntelang ließen Sie und die anderen Blätter des Springer-Konzerns sich von niemandem im Protest gegen die Berliner Mauer übertreffen. Jetzt bescheinigen Sie der Ukraine, sie tue »gut daran, ihre Grenze zu sichern«. Daß die Ukraine einen »Befestigungswall gegen Rußland« plane, sei »keineswegs naiv«. Naiv sei vielmehr die Vorstellung, man könne in der Welt von heute auf befestigte Grenzen verzichten. Einige Tage später fordert nun Springers Bild-Zeitung gemeinsam mit Berliner CDU-Politikern: »Pflichtbesuch bei Mauergedenkstätten für alle Schüler in Deutschland!« Für diese Forderung aus der CDU gebe es »Zustimmung auch in der SPD«. Da fragt man sich: Werden CDU- und SPD-Politiker sowie Springer-Redakteure dann den Schülern erklären, daß man in der Welt von heute auf Grenzmauern nicht verzichten könne?

Vitali Klitschko, früherer Profi-Boxer, Bürgermeister von Kiew. –
In Berlin trugen Sie den Wunsch nach deutschem »Know-how« für den Bau der geplanten 2.300 Kilometer langen Mauer an der ukrainischen Ostgrenze vor. Anschließend wurden Sie mit dem »Potsdamer Medienpreis« ausgezeichnet. Russische Journalisten amüsierten sich: Ein Medienpreis gebühre Ihnen zweifellos wegen Ihrer häufigen Patzer im Fernsehen. Ein Beispiel: »Heute können nicht alle in den morgigen Tag gucken. Genauer gesagt können nicht nur alle gucken – nur wenige können das.« Oder: »Ich bin mit vielen gefallenen Polizisten zusammengetroffen, aber auch mit vielen Menschen und Demonstranten, die ums Leben gekommen sind, und sie alle fragen ...« Oder: »Ich habe zwei Stellvertreter. Vier von ihnen liegen seit einem Monat im Ministerkabinett, und es ist nicht möglich, sie zu ernennen. Ich weiß nicht warum.« Vielleicht liegt es daran, daß in der Ukraine jetzt US-amerikanische Helfer entscheiden, nicht Ihre Wohltäter von der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Thomas Schmid, Kommentator der Frankfurter Rundschau. –
Sie erklären alle Welt-Ereignisse mit knappen starken Worten, zum Beispiel was jetzt nordöstlich des Mittelmeers geschieht: Da gibt es den »Diktator von Damaskus«, der einem »diabolischen Kalkül« folgt: »Entweder werden in Syrien Dschihadisten an die Macht kommen, oder man akzeptiert ihn, den laizistischen Diktator, als kleineres Übel.« Im Westen hätten sich wahrhaftig Stimmen erhoben, man solle sich mit Assad gegen den weit gefährlicheren Islamischen Staat (IS) verbünden. Aber das, so befinden Sie, wäre »eine moralische Kapitulation«. Sie gelangen zu dem kühnen Urteil, man müsse »froh sein, daß sich der US-Präsident über das Völkerrecht hinwegsetzt« – auch wenn das zweifellos zur weiteren Erosion des ohnehin brüchigen Völkerrechts beitragen« werde. Daß die Scheichtümer am Golf, mit denen sich Obama jetzt verbündet hat, wahrhaft grausame Diktaturen sind, Assad demgegenüber demokratisch legitimiert ist, mag Ihnen vielleicht aus dem Gedächtnis entschwunden sein. Aber gibt es bei der FR niemanden mehr, der Ihre Texte liest, bevor sie gedruckt oder – noch besser – wegen notorischen Völkerrechtsnihilismus nicht gedruckt werden?