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Titel819

Wer hat uns schon wieder verraten?  (Otto Köhler)

An der Köpenicker Straße/Ecke Apollofalterallee in Ostberlin ragt das große Plakat auf. In diskreter weißer Schrift auf den dunklen Rücken davonlaufender Demonstranten steht: »FRIEDEN«. Darunter zusammengedrängt in einem einzigen Wort: »#EUROPAISTDIEANTWORT«. So sah ich es eine Woche vor dem Karfreitag dieses Jahres. An eben diesem Tage lief die ANTWORT Deutschlands an Europa, über die Deutsche Presseagentur: »Bereits zwei Wochen nach Einführung einer Ausnahmeregelung zum Stopp von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien habe der Bundessicherheitsrat eine Lieferung an das am Jemen-Krieg beteiligte Königreich genehmigt.« Für Bauteile von Geschütz- und Panzer-Tiefladern, die in Frankreich einsatzfertig gemacht werden, damit die gern auch mal Journalisten zerstückelnden regierenden Saudis sie in ihrem Krieg gegen den Jemen zur Vernichtung von Menschen einsetzen.

 

Anfang des letzten Jahres veröffentlichte das SPD-Zentralorgan vorwärts unter dem Titel »EIN NEUER ZUSAMMENHALT FÜR UNSER LAND« den neuen GroKo-Vertrag, damit die Mitglieder darüber entscheiden sollten. Zwei Drittel sagten Ja. Mit Sicherheit hätte auch das letzte Drittel ein Ja gesagt zum Abschnitt »Für eine restriktive Rüstungspolitik«. Er schreibt vor: »Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.«

 

Ein klares Wort. Versprochen – gebrochen.

 

Am 27. März, als sich der Bruch dieser Bestimmung des Koalitionsvertrages sowohl durch Union wie durch Sozialdemokraten abzeichnete, sprach der Deutschlandfunk mit der linken SPD-Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis über die »Glaubwürdigkeit« ihrer Partei, ob sie bereits Details über die neuen Waffenlieferungen kenne. Die SPD-Linke: »Nein, ich kenne keine Details. Aber wenn dem so wäre, was auch ich jetzt mittlerweile mitbekommen habe, wäre das in meinen Augen ein klarer Bruch der Koalitionsvereinbarung.« Im Koalitionsvertrag stehe geschrieben: »Wir wollen diese restriktive Exportpolitik mit Blick auf den Jemen auch mit unseren Partnern im Bereich der europäischen Gemeinschaftsprojekte verabreden.« »Das ist für mich ein klarer Auftrag, das auch gegenüber europäischen Partnern zu verteidigen, und von daher glaube ich, dass das nicht hilfreich ist, um die Zustimmung zu dieser Großen Koalition zu untermauern.«

 

Der Deutschlandfunk fragte: »Woher kommt dieser Sinneswandel?« Die vom Volk gewählte Abgeordnete antwortete: »Wenn ich das wüsste! – Wenn ich das wüsste! – Ich weiß es nicht.«

 

Der Deutschlandfunk: »Aber haben Sie denn Verständnis für die Parteichefin Andrea Nahles, die ja vor wenigen Tagen noch erklärt hat, man dürfe auch auf die europäischen Partner keine Rücksicht nehmen?« Die SPD-Abgeordnete: »Ich kann es nicht nachvollziehen, und ich habe außer dieser Äußerung von Andrea Nahles, die ich sehr gerne unterstützt habe, nichts weiter gehört. Wenn jetzt ein Sinneswandel irgendwie eingetreten sein sollte, dann wäre das für mich schwer nachvollziehbar. Ich hoffe immer noch, dass dem nicht so ist, weil ich glaube, dass da auch in der Fraktion eine sehr starke Gegenwehr auftreten wird.«

 

Als zwei Wochen später die neue Waffenlieferung für den Jemen-Krieg bestätigt wurde, da erhob sich kein Sturm, kein Wind, kein leises Lüftchen in der SPD-Fraktion. Und die Volksvertreterin von der SPD-Linken twitterte an eben diesem Tag ohnmächtig nichts anderes als eine uralte Klage über die CSU: »Ich wünschte aus #Berlin gäb es mal was bahnbrechend Neues zu vermelden. Leider nein: Es ist kalt und windig und Herr #Seehofer versucht am rechten Rand zu fischen.«

 

Doch ihr Wahlvolk twitterte zurück. Einer wie fast alle: »Antwort an @HildeMattheis. #SPD in der #GroKo macht wirklich alles mit. Heute: #Waffenlieferung in Kriegsgebiete. Es ist zum K…., was aus der #Friedenspartei geworden ist.«