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Titel2317

Antworten

Václav Klaus, Ex-Präsident der Tschechischen Republik. – Bei einer Gedenkstunde anlässlich des 100. Jahrestages der Oktoberrevolution im US-Kongress (!) warnten Sie Europa vor einer Selbstzerstörung. Mehr noch als durch den Kommunismus drohe dem Kontinent die Vernichtung durch »Multikulturalismus, Human-Rightismus und Öko-Bewegung«. Mit anderen Worten: Europa existiert für Sie nur als Gesellschaft mit homogener Langeweile, Gleichgültigkeit bezüglich der Menschenrechte und Recht auf rücksichtslose Ausbeutung von Mensch und Natur. Hut ab! Wer hätte knapper formulieren können, dass die Vorstellungen, die Sie und Ihresgleichen vom »besten aller Systeme« haben, mit den Lebensinteressen der überwältigenden Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten unvereinbar sind!?

 

Petr Marek, Sprecher der tschechischen Bürgerinitiative Bez komunistů.cz (»Ohne Kommunisten«). – Am 100. Jahrestag der Oktoberrevolution gaben Sie am Prager Moldauufer makabre Rechenspiele à la »100 Jahre Kommunismus, 100 Millionen Opfer« zum Besten. Als Kulisse dafür wählten Sie eine Papp-Nachbildung des russischen Kreuzers »Aurora«. Vor Ihrer Rede ertönte ein lauter Knall und aus dem Kanonenrohr der Attrappe stieg, nach historischem Vorbild, eine Rauchwolke auf. Eine kühne Inszenierung! Fürchten Sie nicht, dass die Macht der Bilder größer ist als die Überzeugungskraft Ihrer Worte? Man kann die Sache auch so verstehen: Auch wenn viele geifern – der Signalschuss, mit dem die Aurora die Oktoberrevolution einleitete, ist nicht aus der Welt zu schaffen.

 

Éric Vuillard, Gewinner des Prix Goncourt 2017. – Mit Ihrem Roman »L'ordre du jour« (»Tagesbefehl« oder auch »Tagesordnung«), in dessen Mittelpunkt das Geheimtreffen Hitlers mit deutschen Konzernherren am 20. Februar 1933 steht, haben Sie den wichtigsten französischen Literaturpreis gewonnen. Herzlichen Glückwunsch! Der Literaturkritiker von Deutschlandfunk Kultur, Dirk Fuhrig, hätte Ihnen den Preis nicht zuerkannt. In seiner Würdigung der vier Werke, zwischen denen die Jury sich entscheiden musste, standen Sie an letzter Stelle. Inhaltlich geht er nur auf die »führenden Österreicher und Opportunisten« ein, die »sich den deutschen Befehlen fast lustvoll hingeben«. Die Rolle deutscher Industrieller als bestimmende Instanz in puncto Machtübertragung an Hitler und als Finanziers der NSDAP kommt bei ihm nicht vor. Die Schere im Kopf? Dem deutschen Verfassungsschutz gilt als verdächtig, wer einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus für möglich hält. Bleibt zu hoffen, dass bald eine deutsche Übersetzung von »L'ordre du jour« erscheint.

 

Martin Schulz, SPD-Vorsitzender. – »Ich strebe keine große Koalition an, ich strebe auch keine Minderheitsregierung an. Ich strebe auch keine Neuwahlen an. Was ich anstrebe: Dass wir die Wege diskutieren, um das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser zu machen.« Ihrerseits also nur fromme Sprüche in der Vorweihnachtszeit, statt wesentliche Fragen zu beantworten. Will die SPD sich selbst erneuern? Dann müsste sie ein Konzept für ein besseres, friedliches, soziales Deutschland vorlegen. Parole: Entweder, die Union macht jetzt mit, oder wir suchen uns beim Wähler dafür eine Mehrheit. Riskant, aber mit der Option, hernach besser dazustehen als heute. Unwahrscheinlich, weil SPD-untypisch kämpferisch und sauber. Will die SPD bleiben, was sie immer war? Dann lässt sie sich von Bundespräsident Steinmeier zur Wiederwahl Merkels nötigen. Der versucht mit allen Mitteln, Merkels Pleite und Neuwahlen zu verhindern. Er schuldet der Kanzlerin Dank, weil er unter ihr Präsident werden durfte.

 

Cem Özdemir, Ex-Außenminister in spe. – Auf dem Parteitag der Grünen haben Sie die FDP zornbebend der Destruktion geziehen. Sie wirkten dabei überdeutlich wie einer, der zu spät gemerkt hat, dass Träume Schäume sind und man bei Koalitionssondierungen die eigene Schleimabsonderung kontrollieren sollte. Nun fallen für Sie zwar keine schönen Minister-Flugreisen an. Aber Sie kommen wenigstens nicht wieder in Versuchung, dienstlich erworbene Bonusmeilen privat zu veruntreuen.

 

Ralf Stegner, sozialdemokratischer Sympathieträger. – Die SPD erwarte schwierige Gespräche, wolle sie aber mit allen Parteien, und zwar »ergebnisoffen«, sagten Sie den Zeitungen der Funke-Gruppe, und: »Billig ist die SPD nicht zu haben.« Stimmt, sie ist käuflich. Den höchsten Preis für ihre Bestechlichkeit zahlen ihre Wähler, der Rest des Wahlvolks zahlt drauf.

 

Ossietzky-Leserinnen und -Leser, interessiert und treu. – »Treten Sie ein! …Wir freuen uns über Ihr freundliches Interesse« riefen Ihnen vor 20 Jahren, am 6. Dezember 1997, Eckart Spoo und die anderen damaligen Ossietzky-Herausgeber in der Nullnummer zu. »Wir begeben uns in keine Abhängigkeit – nur in die vom Publikum, also von Ihnen.« Das gilt bis heute ohne Abstriche. Wenn Sie Ossietzky zum 20. verstärkt unterstützen wollen, zeichnen Sie zu Weihnachten ein Geschenkabo.