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Titel620

Krankenhäuser dichtmachen?  (Carl Waßmuth)

Mit dem Coronavirus hat die Weltgemeinschaft ein echtes Problem. Dabei verläuft die Erkrankung selbst zumeist harmlos. Auch bestehen wenig Zweifel, dass für einen Großteil der Bevölkerung auf Dauer eine Ansteckung unvermeidlich ist. Aber für Ältere und Personen mit Vorerkrankungen ist die Situation lebensbedrohlich. Ziel aller Maßnahmen ist es daher, zum Schutz dieser Menschen die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus zu verlangsamen. Das hat für den Alltag erhebliche Folgen. Viele Menschen begeben sich in eine Art freiwilliger Quarantäne. In ganz Europa werden Kindergärten, Schulen und Hochschulen geschlossen und Veranstaltungen abgesagt. Zahlreiche Arbeitgeber lassen von zu Hause aus arbeiten oder ordnen Kurzarbeit an. Einige Firmen sind von der Pleite bedroht. Der DAX ist in wenigen Wochen um mehr als 30 Prozent gefallen, der Dow Jones um 25 Prozent, eine weltweite Wirtschaftskrise ist nicht ausgeschlossen.

 

Die heftigen Politik- und Börsenreaktionen sind der begrenzten Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme geschuldet. In etwa fünf Prozent der Fälle soll es bei der Erkrankung Covid-19 zu schweren bis kritischen Verläufen kommen: Die betroffenen Patienten müssen ins Krankenhaus, teilweise ist Beatmung erforderlich. Kommen die Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen, leiden Corona-positive Patienten sowie andere akut Erkrankte gleichermaßen. In Italien kam es wegen überforderter Krankenhäuser bereits zu dramatischen Situationen. Es steht außer Frage, dass unser Gesundheitssystem und vor allem unsere Krankenhausversorgung vor einer schweren Probe stehen.

 

In dieser Situation mutet es befremdlich an, dass in Deutschland die Zahl der Krankenhäuser massiv reduziert werden soll. Und das sind keineswegs nur vage Pläne. In Nordrhein-Westfalen überarbeitet die Landesregierung unter Armin Laschet (CDU) derzeit den Krankenhausplan. Dazu hat man sich von der Bertelsmann-Stiftung und der Partnerschaft Deutschland GmbH – einer Beratungsgesellschaft, die für öffentlich-private Partnerschaften wirbt – eine Studie erstellen lassen. Vorgeschlagen wird die Schließung von bis zu 60 Prozent der derzeitigen Kliniken. Eine vergleichbare Studie gibt es auch für Deutschland insgesamt, danach sollen drei Viertel aller Plankrankenhäuser schließen. Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministers übernimmt die Forderungen: »Hätte Deutschland die Krankenhausstruktur seines nordischen Nachbarn [Dänemark], kämen in der Akutversorgung auf 1000 Einwohner nicht 6,1 Betten, sondern lediglich 2,5. Auch gäbe es nicht 1371 Plankrankenhäuser, sondern lediglich 330.« Für die freiwillige Schließung von Krankenhäusern hat der Gesundheitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU), einen Fonds eingerichtet, aktuell stehen jährlich 500 Millionen Euro für Schließungen in Nordrhein-Westfalen bereit. Von einem derart radikalen Umbau würden die vier Privatklinik-Betreiber Fresenius, Helios, Asklepios und Rhön-Klinik profitieren, außerdem Baufirmen und kreditgebende Banken. PatientInnen drohen wesentlich längere Wege – bei Schlaganfällen beispielsweise entscheiden nicht selten 15 zusätzliche Minuten im Rettungswagen über Leben und Tod.

 

Vorbild für die schöne neue Krankenhausstruktur soll Dänemark sein. Dort ist die Ärztedichte geringfügig höher als in Deutschland (4,46 pro 1000 Einwohner gegenüber 4,21 in Deutschland). Die Zahl der Krankenhausbetten ist mit 2,5 pro 1000 Einwohner jedoch erheblich niedriger als bei uns (8,3 pro 1000 Einwohner). Noch extremer ist das Verhältnis der Intensivbetten: Deutschland hat 29 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner, Dänemark nur sechs. Schon ohne Corona hätte klar sein können, dass das keinen Vorbildcharakter hat. Angesichts exponentiell steigender Corona-Infektionszahlen ist es inzwischen kaum vorstellbar, dass in Deutschland Krankenhäuser geschlossen werden. Dennoch sind die Pläne nicht vom Tisch. Genaugenommen verfügen Laschet oder andere Länder-Chefs zwar gar nicht über Schließungen, auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat dazu keine Befugnis. Angesichts der gegebenen Rahmenbedingungen ist das aber auch nicht nötig. Die bestehende Pflicht zum gewinnorientierten Wirtschaften von Kliniken macht bereits seit Jahren kommunale und kleine Krankenhäuser kaputt. Wenn nun nach den neuen Plänen viele Kliniken aus den Krankenhausplänen der Bundesländer gestrichen werden, bekommen sie keine Gelder mehr für Investitionen und keine Erstattungen von den Krankenkassen – und gehen in kürzester Zeit pleite.

 

Dagegen regt sich Widerstand: Die Initiative »Regionale Krankenhausinfrastruktur erhalten« in Nordrhein-Westfalen hat einen offenen Brief an Ministerpräsident Laschet geschrieben und um ein Gespräch gebeten. Der lässt antworten: »Da wir aktuell an der Erstellung des neuen Krankenhausplans arbeiten und dies für uns angesichts des eng bemessenen Zeitplans Priorität hat, können wir nicht allen Gesprächswünschen nachkommen. Vor diesem Hintergrund bitte ich um Verständnis.« Die Initiative hat auch der katholischen Bischofskonferenz eine Gesprächsbitte geschickt, da viele Kliniken in der Region die Kirche als Träger haben. Der Bischof lässt antworten, dass man »nicht noch weitere Gesprächs- und Diskussionsforen begründen« wolle. Vorsorglich wird hinzugefügt, dass »unsere Vertretung im Landesausschuss für Krankenhausplanung, die ausschließlich ihrer entsendenden Organisation gegenüber verantwortlich ist, sich mit Blick auf ihre dortige Tätigkeit ausdrücklich zur Verschwiegenheit verpflichten musste und daher für Gespräche der von Ihnen gewünschten Art ohnehin nicht zur Verfügung stehen kann«.

 

Kirche und Staat schließen sich also mit Bertelsmann und anderen Beratern ins Hinterzimmer ein, um dort über die Zukunft der Krankenhauslandschaft zu beraten. Die Organisation Gemeingut in BürgerInnenhand fordert demgegenüber: Kein einziges Krankenhaus darf schließen! Wir brauchen jedes einzelne! Ein entsprechender Aufruf steht unter www.gemeingut.org/krankenhausschliessungen-stoppen und kann online unterzeichnet werden.