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Titel620

Szenen einer Ehe  (Sigurd Schulze)

Die künstlerische Meisterschaft, um nicht zu sagen, die Genialität aller drei steht außer Zweifel, und doch sind es Individualitäten, die ihren Reiz und ihr Profil haben: Wenn von Clara Schumann die Rede ist, deren Geburtstag sich im vergangenen Jahr zum 200. Male jährte, ist es unvermeidlich, die Beziehung zwischen ihr, Robert Schumann und Johannes Brahms zu betrachten.

 

Ganz in diesem Sinne gaben die Berliner Symphoniker am 23. Februar ein Konzert mit dem Marsch Es-Dur von Clara Schumann in einer Orchesterfassung von Julius Otto Grimm, mit dem Klavierkonzert a-Moll von Robert Schumann und mit der 4. Sinfonie von Johannes Brahms – dies alles unter dem Titel »Familienbande«. Brahms gehört also zur Familie. Das Programmheft sagt denn auch, dass die von den jungen Liebenden Clara und Robert lang ersehnte Ehe von »mancherlei friedlosen Epochen« gezeichnet war.

 

Zur gleichen Stunde gaben nebenan im Kammermusiksaal die Berliner Philharmoniker ihren »Philharmonischen Salon« mit dem Untertitel »Robert und Clara Schumann: Anfang und Ende einer Ehe«.

 

Künstlerehen machen neugierig, weil die Eheleute im landläufigen Verständnis besondere Individuen sind. Freilich haben Künstler außergewöhnliche Fähigkeiten, Gewohnheiten, Arbeits- und Lebensbedingungen. Wenn sie berühmt sind, geht es ihnen gut! Aber kann sich jeder verwirklichen, wie er möchte? So enthält das Thema »Anfang und Ende« unwillkürlich auch die Widersprüchlichkeit dieser Verbindung. Folglich wurde hier über Höhen und Tiefen dieser Ehe eine klare Sprache gesprochen. Doch zeigte sich ein feiner Unterschied. Während im Programmheft (Text Melanie Unseld) das Klischee einer besonderen Harmonie betont wird, offenbaren sich in den von Imogen Kogge und Heikko Deutschmann gelesenen Texten die Widersprüche und Brüche, um nicht zu sagen die Katastrophen in der Ehe der Schumanns. Die Texte beruhen weitgehend auf den Recherchen von Caroline und Uwe Hendrik Peters sowie von Beatrix Borchard, publiziert in den Jahren 2013 bis 2015.

 

Mit Clara und Robert Schumann heirateten 1840 zwei Künstlerpersönlichkeiten, die sehr fruchtbar zusammenarbeiten konnten, zum Beispiel bei dem Liederzyklus »Frauenliebe und Leben« (1843). Auch nach Roberts Tod (1856) leistete Clara Entscheidendes bei der Herausgabe seines Gesamtwerks.

 

Das wesentliche Problem dieser Ehe war das Beharren Robert Schumanns auf der untergeordneten Stellung der Frau in der Ehe, auf deren Beschränkung auf Haushalt und Mutterschaft und auf das Wohlergehen des Ehemannes. Dabei war Clara als Pianistin bereits eine Berühmtheit, Robert aber noch kaum bekannt. Praktisch nahm Schumann, wenn er komponierte, die Arbeitsräume und das Klavier für sich in Anspruch, so dass Clara nicht zum Üben kam. Die patriarchalisch geprägte Gesellschaft bestimmte auch die Bedingungen dieser Ehe. Clara Schumann litt darunter, brachte aber die Kraft auf, sich gegen diese Bedingungen zu wehren und ein selbstbestimmtes Leben zu führen – oft nur der Not gehorchend, um durch ihre Konzerte den Lebensunterhalt für sich, ihre Kinder und für die Behandlung ihres Mannes aufzubringen. Dabei mag auch die innige Freundschaft mit Johannes Brahms geholfen haben. Die Geschichte der Ehe der Schumanns schlüssig zu erzählen ist schwierig. Statt »Anfang und Ende einer Ehe« hätte man besser den Titel von Ingmar Bergmanns Film »Szenen einer Ehe« gewählt.

 

Mit der Stelle als Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf hatte Schumann die Riesenchance auf schöpferische Arbeit und ein sorgenfreies Leben, an der er aber wegen seiner Führungsschwäche scheiterte. Hinzu kam seine psychische Erkrankung, wodurch die volle Verantwortung für die Familie auf Clara lastete. Sie wurde im Bürgertum verteufelt, weil sie eine Rückkehr Roberts aus der Heilanstalt nicht wollte. Doch anders hätte sie sich und ihre sieben Kinder nicht retten können.

 

Die Veranstaltung im Kammermusiksaal der Philharmonie gestaltete sich zu einer Rehabilitierung Clara Schumanns und zu einer überzeugenden Charakterisierung ihrer großen Persönlichkeit. Für ihr Künstlertum war nicht nur das Klavierspiel prägend, sondern auch ihr Kompositionstalent, das sie nach der Eheschließung 25 Jahre lang ruhen lassen musste. Deshalb war es schade, dass im Philharmonischen Salon nur Auszüge aus ihrem Jugendwerk »Quatre Pièces caractéristiques op. 5« (1835) gespielt wurden (Klavier Cordelia Höfer), aber leider nicht ihr spät komponiertes Werk »Marsch für Klavier« (1879/81). So blieb Roberts Musik dominant, und es bleibt der Eindruck, Clara hätte seit ihrer Jugend nicht mehr komponiert. (Erfreulicherweise bekam man den Marsch von den Berliner Symphonikern zu hören. Die hätten jedoch ein besseres Gleichgewicht in der künstlerischen Leistung hergestellt, wenn sie statt Roberts Klavierkonzert das Klavierkonzert a-Moll op. 7 von Clara Schumann gespielt hätten.)

Zwei parallele Konzerte, die sowohl Musikgenuss als auch Wissen vermittelten, waren eine schöne Würdigung der eng miteinander verbundenen Musiker Clara und Robert Schumann und Johannes Brahms.