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Titel0710

Wir sind Kinderschänder  (Otto Köhler)

Als der jüngere der beiden Ratzinger-Brüder erwählt worden war, erschien am 20. April 2005 unser Zentralorgan mit der Schlagzeile: »Wir sind Papst«. Papst ist, wie mich das 1848 in Regensburg erschienene, von einem Vereine katholischer Gelehrter bearbeitete Conversationslexicon für das katholische Deutschland informiert, die Berufsbezeichnung für die jeweiligen Stellvertreter Gottes auf Erden.

Der amtierende Stellvertreter Gottes Joseph Ratzinger, bekannt unter dem Künstlernamen Benedikt XVI., wurde 1996 als Chef der Glaubenskongregation informiert, daß der katholische Priester Lawrence Murphy sich im Laufe seiner Tätigkeit an über 200 Knaben seiner Schule für Gehörlose und andere Behinderte vergangen hat. Eines der Opfer: »Du siehst die Hand, die dir die Hostie reicht, und es ist dieselbe Hand, die dich mißbraucht hat.« Ratzinger ordnete durch seinen Stellvertreter einen kircheninternen Prozeß an, in dem das »Secretum Sancti Officii« galt: Bei Strafe der Exkommunikation war Geheimhaltung vorgeschrieben. Der Täter wandte sich an Ratzinger und bat, ihm die »Würde meiner Priesterschaft« zu belassen. Kardinal Ratzinger beließ und schrieb dem Kinderficker mit den besten Wünschen für das Osterfest.

Einer von vielen Fällen.

Wie das alles entstanden ist, darüber belehrt mich mein katholisches Lexikon aus Ratzingers Regensburg in der Rubrik »Papst und Papstthum«: »Nachdem auf die dreimalige Frage Petrus dreimal den Herrn seiner Liebe versichert (zur Sühnung seiner dreimaligen Verläugnung), ernennt ihn der Heiland durch die dreimal feierlich wiederholten Worte : ›Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!‹ zu seinem Stellvertreter im Hirtenamte. Denn Christus selbst ist ja der gute Hirte u. es soll Ein Hirte und Ein Schafstall seyn, Joh. 10.«

Was Hirten in ihrer sexuellen Not manchmal mit ihren Schafen und Lämmern machten, ist bekannt. Aber heute sind die Katholiken nicht mehr der Schafstall des Herrn. Sie sollten sich wenigstens die Freiheit nehmen, es nicht mehr zu sein.

Die Heilige Katholische Kirche, dieser Verein von Vertuschern, wird weiterhin staatlich gefördert. Die Mitgliedsbeiträge werden immer noch durch Hoheitsakte unseres Gemeinwesens als »Kirchensteuer« eingetrieben. Kein Politiker wagt es, das immer noch als gültig betrachtete Konkordat anzutasten, das der unselige Pius XII. noch als Kardinalsstaatssekretär Pacelli ausgehandelt und am 20. Juli 1933 zusammen mit Hitler unterschrieben hat.

Daß die Kirche im Alltagsleben nicht über dem Staat stehen sollte, bewies keiner so gut wie der ältere Ratzinger-Bruder Georg, der als Kapellmeister der Regensburger Domspatzen selbst Kinder mißhandelt hatte. »Grün und blau« habe er zwar nie einen Knaben geschlagen, erklärte er der Passauer Neuen Presse. Doch er sei froh gewesen, als zu Anfang der achtziger Jahre körperliche Züchtigungen vom Gesetzgeber verboten wurden. »Daran habe ich mich strictissime gehalten, und ich war innerlich erleichtert!« behauptete Bruder Ratzinger. Ohne staatliches Gebot hätte er sich weiter verhalten wie bis dahin. Der Regisseur und Komponist Franz Wittenbrink, der als Neunjähriger bei den Regensburger Domspatzen interniert war, erklärte laut Spiegel, es habe dort ein »ausgeklügeltes System sadistischer Strafen verbunden mit sexueller Lust« bestanden.

Während ich dies am Dienstag vor dem Fest der Auferstehung des Herrn schreibe, tobt der Streit zwischen Berlin und Brüssel, ob man nun Kinderpornoseiten löscht oder nur sperrt. Und zugleich verkündetet ein Bischof, der mit einem aktuellen Fall von priesterlichem Kindesmißbrauch in Osnabrück befaßt ist, im NDR: »Es ist mir wichtig, daß wir nicht immerzu nach hinten schauen.«

Gottesstellvertreter Ratzinger wird also nicht am Osterfest urbi et orbi den Opfern seiner Priester auf dem Petersplatz die Füße waschen, wie es einst Chef Christus mit seinen Jüngern tat.

Und das deutsche Volk, soweit es seit fünf Jahren Papst ist, hat ein unveräußerliches Recht auf die Bild-Schlag-Zeile: Wir sind Kinderschänder.