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Titel1911

Antiterrorpolitik in Asien  (Gerd Bedszent)

Nach einem mörderischen Bombenanschlag auf der Ferieninsel Bali im Herbst 2002 erreichte die von den USA propagierte Antiterrorpolitik auch Ostasien. Es ist verdienstlich, daß sich Autoren aus dem Umfeld des Netzwerkes »Asienhaus« in einem Sammelband mit den Auswirkungen dieser Politik auf die Menschen- und Bürgerrechte in den Ländern dieser Region auseinandersetzen. Noch verdienstlicher ist, daß sie sich nicht auf die üblichen Verdächtigen (also China und die ex-sowjetischen Republiken Mittelasiens) beschränken, sondern auch die Lage in denjenigen Ländern kritisch dokumentieren, die sonst selten in den Medien auftauchen.

Zum Beispiel Indien, wo, wie Thorsten Otto schreibt, die verabschiedeten Anti-Terror-Gesetze hauptsächlich im Kampf gegen maoistische Guerillaorganisationen angewendet werden, die in verschiedenen Bundesstaaten gegen die aus der Kolonialzeit überkommenen Feudalstrukturen der indischen Landwirtschaft kämpfen. Ähnlich beschreiben Heiko Herold und Bernhard Hertlein die Situation im benachbarten Bangladesch, wo sich die Regierung im Kampf gegen die maoistische Guerilla und die angestrebte Selbstbestimmung ethnischer Minderheiten des islamistischen Untergrundes bediente. Ein anderes Beispiel sind die Philippinen; dort tobt seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg zwischen der Regierung und kommunistischen Guerillaverbänden im Norden sowie der um Selbstbestimmung kämpfenden muslimischen Minderheit im Süden. Ein im Beitrag von Philipp Bück sehr einprägsam dokumentierter Fall: Eine Aufstellung von Teilnehmern einer Auslandskonferenz der maoistischen Untergrundorganisation National Democratic Front oft the Philippines (NDF) mutierte inklusive Rechtschreibfehler zu einer von der Regierung herausgegebenen Schwarzen Liste von Personen mit Beziehungen zum Terrornetzwerk Al Kaida.

Der Beitrag von Eva Ottendörfer weist nach, daß der nach dem Sturz der Suharto-Diktatur begonnene Demokratisierungsprozeß in Indonesien nach Beginn des »Global War on Terror« wieder ins Stocken geraten ist. Neu gegründete Gewerkschaften und Umweltverbände wurden »terroristischer Vergehen« beschuldigt und so zum Schweigen gebracht, nationalistische Jugendverbände attackieren die Büros von Menschenrechtsgruppen. Wobei, wie die Autorin schreibt, die Menschenrechtssituation in Indonesien gegenwärtig immer noch »moderater« sei als im benachbarten Stadtstaat Singapur, der seit Jahrzehnten formell eine Demokratie ist. Rolf Jordan nennt in seinem Beitrag Singapur einen der repressivsten Staaten der Welt, der derzeit den traurigen Rekord an vollstreckten Todesurteilen hält. Als ähnlich repressiv beschreibt Jordan das Nachbarland Malaysia; in beiden Staaten ist die Prügelstrafe legal und wird häufig vollstreckt.

Die Situation in Nordkorea bleibt im Buch ausgeklammert. Heiko Herold schreibt ausführlich über den auch auf Seiten Südkoreas fortdauernden kalten Krieg gegen den feindlichen Nachbarstaat. In einem eigenen Beitrag kommt der südkoreanische Philosoph Song Du-yul zu Wort, der sich seit Jahren für einen Prozeß der Aussöhnung zwischen den beiden Staaten einsetzt und im Jahre 2004 auf der Grundlage eines »Nationalen Sicherheitsgesetzes« von der südkoreanischen Regierung vor Gericht gestellt und in einem Schauprozeß zu sieben, in zweiter Instanz zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.

In dem Buch werden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Staaten Ost- und Südostasiens dokumentiert: Fälle schwerster Folter, außergerichtliche Hinrichtungen, menschenunwürdige Haftbedingungen, juristisch fragwürdige »Schnellgerichte«, Unterdrückung von Oppositionsgruppen, Behinderung von Menschenrechtsorganisationen, Pressezensur, Haussuchungen und Verhaftungen aufgrund anonymer Denunziationen. Die Herausgeber des Buches beurteilen in ihrem Fazit die Perspektiven dieser Region überwiegend pessimistisch; denn zivilgesellschaftliche Strukturen, die der Politik staatlicher Überwachung und Repression entgegenwirken könnten, sind in den meisten Ländern nicht oder nur in winzigen Ansätzen vorhanden und haben im Klima des »Krieges gegen den Terror« kaum Möglichkeiten, sich zu entfalten.

Maike Grabowski, Heiko Herold, Rolf Jordan (Hg.): »Sicherheit contra Menschenrechte. Antiterrorpolitik in Asien«, Horlemann Verlag, 206 Seiten, 14,90 €