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Militaristika am Olbrichtplatz  (Lothar Kusche)

Die schönsten »Anekdoten aus der Weltbühne der zwanziger Jahre«, ausgewählt von Lothar Creutz und Carl Andrießen, erschienen 1964 unter dem Titel »Zwei Tropfen Gift in jeder Tasse Mokka« im Buchverlag der Morgen Berlin. In dem längst vergriffenen Bändchen las man auch: »Liebe Weltbühne! In Dresden wundert sich ein Fremder, daß es so wenige Buchhandlungen gibt, worauf ihm ein Eingeborener stolz entgegnet: ›Nu ja, Biecher hammer ja wenich, aber dafier sind wir ne Gunststadt.‹«

Die Gunststadt ist stolz auf ihr Militärhistorisches Museum am Olbrichtplatz. »Bis Jahresende«, meldete die Sächsische Zeitung, »soll der Umbau des Museums nach den Plänen des amerikanischen Architekten Daniel Libeskind fertig sein. Teurer und zwei Jahre später als geplant. Beim Baubeginn 2004 ging man von 38 Millionen Euro aus, 57 Millionen werden es jetzt inklusive der neugestalteten Außenanlagen. Mit 19.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird es Deutschlands größtes militärhistorisches Museum sein ...«

Tatää, tatäää, tatäää!!!

»Im historischen Gebäude wird die deutsche Militärgeschichte seit 1300 präsentiert. Daneben möchte man im Neubau ein Publikum ansprechen, das sich weniger für die Waffen interessiert.« Diesen Besuchern biete das Museum »zehn Themen zu Militär und Gesellschaft. Eines davon ist Tiere und Militär und zeigt etwa Hunde, die mit umgebundenen Granaten im Kriegsdienst eingesetzt wurden, und einen lebensgroßen nachgebildeten Elefanten Hannibals. Für diesen sind die Türen zu klein ... Auch die Alltagsmode wird vom Militär inspiriert. ›Im letzten Jahr wollten wir auf einer Auktion in Los Angeles eine Jacke vom Michael Jackson ersteigern. Er trug häufig militärisch aussehende Anzüge. Leider wurde die Auktion kurz vorher abgesagt‹, sagte Peter Haug. Er leitet die Neukonzeption des Museums« – und war ganz beiläufig mal nach Los Angeles geflogen, um eine militärisch aussehende Jacke des verstorbenen Michael Jackson auf einer Auktion zu ersteigern, die glücklicherweise abgesagt wurde.

So konnte der Stadtkämmerer der Gunststadt Elbflorenz ein paar Heller und Batzen einsparen, die für die Anschaffung historischer Militaristika eingeplant waren.

Ich könnte ihm einen verbeulten Kochtopf anbieten, den meine Tante Juliane Anfang 1946 auf einem »Freien Markt« am Brandenburger Tor erstand; er war aus einem ehemaligen deutschen Stahlhelm geschmiedet worden und sah immer noch ein bißchen militärisch aus.

Deutschlands größtes militärhistorisches Museum kriegt man nicht kostenlos. Libeskind, der am Jüdischen Museum in Berlin mitwirkte, hat nichts zu verschenken, und Hannibals künstliche Elefanten findet man in keiner Wundertüte. Doch »der Freistaat Sachsen setzt bei den sächsischen Tourismusverbänden den Rotstift an. In diesem Jahr soll die Tourismusförderung drastisch gekürzt werden« (Sächsische Zeitung).

Wer soll die explodierenden Kriegshunde am Olbrichtplatz besichtigen, wenn nicht die Touristen? Andere »Touristen«! Denn das zuständige »Gericht erlaubt Neo-Nazi-Marsch in Dresden ... Die Entscheidung der Stadt, den Rechtsextremisten nur eine stationäre Kundgebung zu erlauben, sei rechtswidrig« (Sächsische Zeitung). Die nicht rechtswidrigen Rechtsextremisten würden besonders gern über die 19.000 Quadratmeter des Militär-Denkmals marschieren. Für solche Militouristen scheinen in Dresden »die Türen nicht zu klein« zu sein.