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Titel720

Monatsrückblick: Virenfrei*)  (Jane Zahn)

Der Dax winselt, die Börsenkurse stürzen: Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist da. Und wie vorherzusehen: Als erstes schreien die Banken und Unternehmer nach staatlicher Hilfe – pfeif doch auf die Schwarze Null und den schlanken Staat! Und die Regierungen springen brav nach dem Stöckchen und liefern. Selbstverständlich nur wegen Corona!

 

»Beim Betrachten der aktuellen Entwicklung bei den Zinsen beschleicht einen immer mehr das Gefühl, man sei Zeuge der Endphase eines Wirtschaftssystems«, schrieb Hannes Zipfel, Autor beim Internet-Portal Finanzmarktwelt (9.3.2020). Soso, der Kapitalismus in der Endphase? Wegen der Zinsentwicklung? Oder wegen Corona?

 

Oder wegen der geographischen Verschiebungen? »Das ist hier nicht Berlin-Kreuzberg, das ist mitten in Deutschland«, sagte Friedrich Merz am 26. Februar in Apolda (zitiert nach junge Welt, 28.2.20). Also liegt Berlin-Kreuzberg nicht mehr in Deutschland? Ist Berlin exterritoriales Gelände? Ebenso wie die Innenstädte, zum Beispiel von Mannheim, deren Läden fest in türkischer Hand sind – oder aber in der Hand von weltweiten Ladenketten?

 

Plötzlich steht die Welt vor der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg, wie erst Frau Merkel und dann auch noch die polnische Regierung verlauten ließ. Nicht etwa, weil der Klimawandel in manchen Gebieten die menschliche Existenz gefährdet oder weil radioaktiver Müll nirgendwo sicher gelagert werden kann oder weil Nationalismus und nationale Egoismen Konjunktur haben oder weil Flüchtlinge nicht mehr versorgt werden – nein, nicht können, sondern sollen! Immerhin – Präsident Macron sieht sein Land »im Krieg«, diesmal wird der Ausnahmezustand nicht wegen Terror verhängt, sondern wegen eines Virus, der das Gesundheitssystem terrorisiert. Das ist in der EU nur auf Kante im Normalzustand genäht, nicht für Epidemien.

 

Seit Anfang März lässt Griechenland niemanden mehr über seine Grenze, während die Türkei systematisch Flüchtlinge an die Grenze zu Griechenland bringt, um sie loszuwerden. Und wer ist schuld? Natürlich der Russe! »Der eigentliche Schurke in diesem Spiel ist Russland«, schreibt Christoph B. Schultz in der welt am 2.3.2020. Denn wenn der Russe nicht wäre, gäbe es keine syrische Regierung mehr, und die Terroristen würden auch nicht mehr bombardiert. So einfach ist das!

 

Ganz so einfach ist es nicht, den Verbleib von 33.191 privaten registrierten Schusswaffen zu erklären. Die sind irgendwie untergetaucht. Und dazu kommen noch die »verschwundenen« Waffen aus Polizei- und Bundeswehrbesitz. Bei zwei Brandenburgern fand die Polizei 28 Waffen, darunter zwei Maschinenpistolen. Dazu jede Menge Nazi-Devotionalien. Ein Haftgrund liegt aber nicht vor, die beiden spazieren wieder in Freiheit herum und dürfen weiter von der Machtergreifung träumen. Was ja auch andere tun. So wie Björn Höcke bei einem Treffen des AfD-»Flügels« in Sachsen-Anhalt am 6. März: »Die, die nicht in der Lage sind, das Wichtigste zu leben, was wir zu leisten haben, nämlich die Einheit, dass die allmählich auch ausgeschwitzt werden« (zitiert nach jW, 20.3.20). Wird »ausschwitzen« (man beachte die beiden »s«!) das Unwort des Jahres 2020?

 

Der »Flügel« der AfD wird nun vom Verfassungsschutz beobachtet, weil er offiziell des Rechtsextremismus verdächtig ist. »Beobachtet« heißt, der Verfassungsschutz darf jetzt V-Männer einsetzen. Das wiederum heißt, dass »Flügel«-Anhänger in Zukunft auch bezahlte Spitzel sein könnten, was wiederum dem Bundesverfassungsgericht ein eventuelles Verbot dieser Partei erschwert, weil man ja nicht sicher sein kann, welche Äußerungen und Taten der AfD zur Last gelegt werden können und welche bezahlte Leistungen für den Verfassungsschutz sind. Nichts mehr kann man glauben! Nein, ich zähle jetzt nicht auf, was man alles nicht glauben soll über Corona-Viren, ich will ja diesen Artikel virenfrei halten. Es gibt auch sonst noch genügend Fakes und Unklarheiten.

 

So sind sechs Millionen Schutzmasken, die das Bundeswehr-Beschaffungsamt in die Bundesrepublik liefern wollte, auf einem Flughafen in Kenia spurlos verschwunden. Tja, was so alles auf dem Amtsweg verlorengehen kann … – neben den bürgerlichen Grundrechten, die jetzt mal eben außer Kraft gesetzt werden auf unbestimmte Zeit. Es geht eben um Leben und Tod, wie im Krieg – gegen ein Virus.

 

Da Juan Guaidós Selbsternennung zum Präsidenten Venezuelas bisher nicht zum Erfolg führte, hat er nun einen Anschlag auf sich selbst inszeniert, um mal wieder in die Nachrichten zu kommen. Die Presseagentur AP musste kleinlaut gestehen, das Foto, das einen Mann mit Motorradhelm zeigt, der mit einer Pistole auf eine Gruppe um Guaidó zielt, nicht selbst aufgenommen zu haben. Der behelmte Mann, kurz darauf von der Polizei gefasst, gestand, er habe den Auftrag, die Waffe und 200 Dollar bekommen, um ein Attentat auf Guaidó vorzutäuschen. Natürlich wieder eine Infamie von Präsident Maduro, der bekanntlich ein schlimmer Machthaber ist. Achten Sie bitte auf die Wortwahl: Verbündete der USA sind grundsätzlich keine »Machthaber«, ganz gleich, wie gering ihre Legitimation in der Bevölkerung ist.

 

Derweil kann die bolivianische Putsch-Regierung jetzt die Wahlen auf unbestimmte Zeit verschieben – natürlich nur wegen Corona! Ist ein Virus jetzt der Machthaber auf der Welt? Oder hilft es nur denen, die die Macht haben, bei der Durchsetzung ihrer Interessen? Tut mir leid, ganz virenfrei ist dieser Artikel nun wohl doch nicht …

 

*) Dieser Artikel ist Coronavirus-frei, ich habe meine Hände vorher gründlich gewaschen, und ich weigere mich außerdem, mein Hirn waschen zu lassen. J. Z.